Im Gespräch: Michael Pech über die Quadratur des Kreises

  • Michael Pech vor dem aktuellen Projekt der ÖSW AG im Sonnwendviertel in Wien. Architektur: DMAA© Franz Pflügl
  • „Die hohe Dichte an guten ArchitektInnen in Österreich ist für mich nach wie vor unglaublich", Michael Pech vom ÖSW.© Franz Pflügl
  • Michael Pech über die Zukunft des Wohnens. © 
  • Michael Pech ist seit 1997 im Vorstand der ÖSW AG. © Franz Pflügl

Michael Pech ist einer der beiden Vorstände des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW AG) und in dieser Funktion verantwortlich für die Projektentwicklung, Realisierung und Verwertung. Keines der laufend bis zu 40 Projekte, die in Vorbereitung, Planung oder Bau sind, ist nicht zumindest einmal über seinen Schreibtisch gegangen. Vor allem dann, wenn es um architektonische Qualität und Wirtschaftlichkeit geht, ist er die entscheidende Instanz.

weissmagazin: Welchen Stellenwert, welche Bedeutung hat gute Architektur für die ÖSW-Gruppe bzw. für Sie persönlich?

Pech: Ich denke, man sieht an unseren zahlreichen realisierten Projekten, dass Architektur hier im Haus einen sehr hohen Stellenwert genießt. Ich wäre sicher auch nicht hier, wenn das ÖSW nicht seit jeher immer mit sehr guten ArchitektInnen zusammenarbeiten würde. Die architektonische Qualität unserer Projekte ist mir tatsächlich ein persönliches Anliegen. Ich bin im ÖSW unter anderem für die Projektentwicklung, Realisierung und Verwertung zuständig und fühle mich damit hauptverantwortlich für das, was wir produzieren. Da bin ich wenig kompromissbereit. Vor allem in der Entwicklungsphase begleite ich die Projekte in wichtigen Entscheidungsphasen persönlich, und es freut mich, wenn sie so realisiert werden, wie es in der Planung vorgesehen war. Das ist alles nur möglich, da wir bestens qualifizierte und motivierte Mitarbeiter haben. Geplant – gebaut: Das ist ein Versprechen, das wir einzuhalten versuchen, und in der Regel schaffen wir das auch.

weissmagazin: Gute Architektur hat aber auch ihren Preis. Gleichzeitig wird das Bauen und damit auch das Wohnen immer kostspieliger, Budgets werden knapper, Förderbedingungen strenger. Wie schafft man es da, qualitätsvolle Architektur und Wirtschaftlichkeit unter einen Hut zu bringen?

Pech: Mit geringen Baukosten viel Qualität zu erreichen ist eine Herausforderung, der wir uns seit jeher gerne stellen. Lassen Sie mich aber mit einem Zitat von Francis Bacon antworten: „Homes are built to live in, not to look at“. Uns ist einerseits bewusst, dass gute Architektur einen Mehrwert für die BewohnerInnen darstellt und andererseits auch eine wichtige stadträumliche Bedeutung hat. Wir bauen aber nicht zur Selbstdarstellung. Denn letztendlich geht es uns um die Leistbarkeit des Wohnraums. Wir versuchen also nichts Geringeres als die Quadratur des Kreises. Das heißt, es geht uns immer um die Ausgewogenheit zwischen Architektur, Wohnwertigkeit, Funktionalität und selbstverständlich auch um die Wirtschaftlichkeit – und zwar sowohl im Bau als auch langfristig in der Bewirtschaftung. Denn die beste Architektur und das nachhaltigste Gebäudekonzept nutzt dem Bewohner nichts, wenn er sich die Wohnung nicht leisten kann. Ich ringe häufig mit mir, wenn es darum geht, die Gestehungskosten um ein paar Euro pro Quadratmeter höher anzusetzen, um ein Gebäude noch nachhaltiger oder effizienter zu machen. Aber oft sind es gerade diese paar Euro, um die wir die Kosten überschreiten würden. Das kommt natürlich nicht in Frage. Meist sind die Architekten selbst überrascht, wie viel Qualität wir im gemeinsamen Planungsprozess mit vergleichsweise geringen Kosten schaffen.

weissmagazin: Das ÖSW hat im Laufe seiner Geschichte mit weit mehr als 100 verschiedenen Architekten zusammengearbeitet. Wie wählen Sie Ihre Partner für die Planung aus?

Pech: Am einfachsten ist es natürlich, wenn wir direkt vergeben können. Ich habe einen sehr guten Überblick über die heimische Planerszene und überlege mir sehr genau, wer am besten zur jeweiligen Bauaufgabe passen würde. Das ist keine leichte Aufgabe, denn die Auswahl ist groß, und meistens fallen mir gleich ein halbes Dutzend Büros ein, die ich für geeignet halten würde. Die hohe Dichte an guten ArchitektInnen in Österreich ist für mich unglaublich. Neben der Direktvergabe eines Planungsauftrages gehen wir bei der Wahl unseres Architektenpartners oft auch den (Um)Weg über Gutachterverfahren, um zu sehen, wer aus unserer Sicht für die jeweilige Aufgabe die besten Konzepte hat. In seltenen Fällen bzw. bei Projekten, die wir mit Gebietskörperschaften realisieren, loben wir auch offene Wettbewerbe aus.

weissmagazin: Welche Fähigkeiten, welche Voraussetzungen muss ein Architekt mitbringen, um mit dem ÖSW zusammenzuarbeiten?

Pech: Die wichtigste Grundvoraussetzung ist, dass es hervorragende ArchitektInnen sind. Darüber hinaus müssen sie dazu bereit sein, sich auf das von uns erstellte Raum- und Funktionsprogramm und unsere Planungsvorgaben bedingungslos einzulassen. Nur so können wir sicher-stellen, dass die veranschlagten Kosten eingehalten werden. Denn die kreativsten Konzepte nützen uns nichts, wenn wir damit den Kostenrahmen sprengen – dann wird das Projekt nicht realisiert. Wir nehmen unsere Verantwortung als Bauherr sehr ernst und haben noch nie die veranschlagten Baukosten überzogen. Das heißt, dass wir keinen Vorentwurf freigeben, bei dem die wirtschaftlichen Kennzahlen nicht passen, wie zum Beispiel das Verhältnis von Oberfläche zur verwertbaren Fläche, Brutto- zu Nettofläche oder auch Fassaden- zu Fensterfläche. Das sind alles Wirtschaftlichkeitskenndaten, an denen wir in einem frühen Planungsstadium erkennen, ob wir über unser Budget hinausschießen.

weissmagazin: Als Architekt, der für das ÖSW plant, kann ich mir also sicher sein, dass ich ein konkretes Projekt auch realisieren werde, sobald der Vorentwurf von Ihrer Seite abgesegnet ist?

Pech: Bislang haben wir alle Projekte, die wir im Vorentwurf freigegeben haben, auch realisiert. Schwer tun wir uns mitunter bei Projekten, wo wir erst später als Bauträger dazu gekommen sind, wie zum Beispiel bei städtebaulichen Wettbewerben, die ein Architekt gewonnen hat. Dieser fühlt sich völlig zu Recht als Sieger, und dann kommen wir mit unseren Wirtschaftlichkeitsvorstellungen daher. Für uns ist es aber selbstverständlich, dass wir mit dem Gewinner des Wettbewerbs zusammenarbeiten und das Projekt gemeinsam in die Wirtschaftlichkeit bringen. Deshalb bin ich ein großer Verfechter von Bauträgerwettbewerben, wo wir uns gemeinsam mit einem Team aus ArchitektInnen, StatikerInnen, BauphysikerInnen, LandschaftsplanerInnen etc. um eine Bauaufgabe bewerben. Denn dann haben wir in einem intensiven Arbeitsprozess vorab ein Konzept entwickelt, das auch unseren strengen wirtschaftlichen Anforderungen gerecht wird. Das ist unser kooperativer Planungsansatz, unsere größte Stärke.

weissmagazin: Abschließend möchte ich noch auf eine andere Stärke des ÖSW zurückgreifen – nämlich die, in die Zukunft zu denken. Wie sehen Sie die Zukunft des Wohnens? In welche Richtung wird sich der Wohnbau in den nächsten paar Jahren entwickeln?

Pech: Es ist mein persönliches Engagement, in unseren Projektentwicklungen Themen aufzugreifen, noch bevor sie Trend sind. Die Wohnungen, die zukunftsfähig sind bzw. in den kommenden Jahren mehr nachgefragt werden, sind jene in einer Größenordnung von 60 bis 80 Quadratmetern – vorrangig in Miete bzw. Miete mit Eigentumsoption. Wesentlich ist aber die enorm gestiegene Mobilität bzw. Veränderung der Haushaltsgrößen. In den 1950er-Jahren waren ein Drittel der Wohnungen Vier- und Mehrpersonenhaushalte – diese sinken bis 2030 auf zehn Prozent. Gleichzeitig steigt die Zahl der Singlehaushalte, die beispielsweise in Wien heute schon ca. ein Drittel ausmachen. Ein wesentlicher Einflussfaktor sind aber auch die geänderten Arbeitsmarktstrukturen. Waren bis in die 1980er-Jahre über zwei Drittel der Menschen in konventionellen Arbeitsverhältnissen wie z.  B. Arbeiter, Angestellte oder Beamte, wird dieser Anteil bis 2020 – und das ist für einen Bauträger praktisch übermorgen – auf unter 50 Prozent sinken. Für diese Zielgruppe brauchen wir ein entsprechendes Wohnungsangebot. Vor diesem Hintergrund haben wir das neue Kurzzeitapartmenthaus-Konzept „R4R – room 4 rent“ entwickelt. Schnell verfügbare Apartments, die auch kurzzeitig gemietet werden können. Weiss: Das ist aber nichts gänzlich Neues! Michael Pech: Natürlich nicht! Der große Unterschied ist aber, dass wir mit 750 Euro pro Apartment knapp bei der Hälfte von derzeit verfügbaren Angeboten liegen. Mögliche Mietdauer: von zwei Monaten bis zu zwei Jahren. Darin ist alles enthalten: Bruttomiete mit Heizung und Warmwasser, Möblierung, Internetanschluss, inkl. GIS-Gebühr und Conciergeservice. Das erste derartige Projekt in der Storchengasse ist seit Herbst 2013 fertig gestellt und voll vermietet. Das zweite Projekt MesseCarree Nord, nahe der WU, eröffnet noch diesen Herbst, ein weiteres wird im Leopoldtower errichtet. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir hier ein Nischenprodukt entwickelt haben, das mittel- und langfristig großes Steigerungspotential haben wird.

Person

Michael Pech, MRICS
Vorstand ÖSW
Österr. Siedlungswerk
verheiratet, drei Töchter

1986 Architekturdiplom an der TU Wien
1986-1990 Universitätsassistent am Institut für Städtebau, TU Wien
1994 Ziviltechnikerprüfung (ruhende Befugnis)
1995-1998 Lehrbeauftragter Institut für Städtebau, TU Wien seit
1997 ÖSW AG Vorstand 
seit 1998 Lehrbeauftragter Continuing Education Center, TU Wien
2005 Befähigungsnachweis für Immobilientreuhänder Michael Pech ist Aufsichtsrat im Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, Grundstücksbeirat in Wien und Aufsichtsrat von mehr als 10 Gesellschaften.