Im Portrait: Armin Mohsen Daneshgar

  • "Musiker können traurige Lieder komponieren, Maler Entsetzliches zeichnen, Literaten Tragödien schreiben. Aber Planer können keine deprimierende Architektur machen", sagtArmin Mohsen Daneshgar.© Cervinka
  • Wettbewerbsentwurf für den Sanat Square in der iranischen Hauptstadt Teheran.© www.daneshgararchitects.com
  • Modell eines leichten Dachaufsatzes für ein privates Einfamilienhaus.© www.daneshgararchitects.com
  • Privater Wohnraum im Dachgeschoßausbau mit Blick über die Stadt.© www.daneshgararchitects.com
  • Interieur für ein Lokal in der Wiener Innenstadt.© www.daneshgararchitects.com

Mit gerade einmal 100 Dollar in der Tasche ist Armin Daneshgar aus dem Iran kommend Anfang der 1990er-Jahre am Flughafen Wien-Schwechat gelandet. Mehr brauchte er damals auch nicht. Denn eigentlich war Österreich nur eine kurze Zwischenstation auf seinem Weg nach Amerika. Weit entfernt im Westen wollte er Architektur studieren.

Armin Mohsen Daneshgar ist Architekt mit Leib und Seele. Architektur ist nicht sein Beruf, sondern sein Leben, wie er selbst sagt. Trotz allerlei Widrigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, seinen Optimismus hat er nie verloren. Dabei sieht er sich selbst überhaupt nicht als Optimist. Vielmehr ist es sein Beruf, aus dem er Kraft schöpft. „Obwohl unsere Städte krank sind, obwohl unsere Projekte manchmal krank sind und obwohl uns die Behörden mitunter krank machen, ist da immer etwas Positives. Du planst etwas – du baust etwas – und am Ende entsteht etwas Gutes. Oder zumindest glauben wir daran. Denn auch der schlechteste Architekt will sein Bestes geben, um etwas Positives entstehen zu lassen und die Welt ein bisschen schöner zu machen“, ist Daneshgar überzeugt.

Mehr oder weniger per Zufall ist Armin Daneshgar nach Österreich gekommen. Anfang der 1990er-Jahre war Österreich vom Iran aus betrachtet das erste westliche Land, das sowohl über eine amerikanische Botschaft als auch eine direkte Flugverbindung nach Teheran verfügte. Ein Rucksack mit dem Nötigsten für einen kurzen Zwischenstopp auf der Reise in die USA war alles, was er damals mitbrachte. Das war vor mittlerweile fast einem Vierteljahrhundert – und er ist immer noch da. „Es war die Zeit des ersten Irakkriegs, und ich habe kein Visum für die Einreise in die USA bekommen. Dann bin ich hier festgesessen“, erinnert sich Daneshgar. Irgendwie musste er sich beschäftigen in der Zeit, in der er wartete. Und vor allem musste er Geld verdienen, denn die 100 Dollar Barvermögen waren schnell aufgebraucht.

ALLER ANFANG IST SCHWER

Ohne Geld, ohne Wohnung, ohne Job, keine Freunde oder Familie, die einspringen konnten, in einem Land, dessen Sprache er nicht verstand – die Voraussetzungen für den Start in ein neues Leben waren denkbar ungünstig. Alles was er hatte, war sein Traum Architekt zu werden und die Zuversicht, dass es eigentlich nur bergauf gehen konnte. „Es war mein Glück, dass ich von Anfang an mehr kämpfen musste als andere. Meine Hautfarbe, meine Herkunft, die Tatsache, dass ich die Sprache nicht konnte, all das hat mich stärker gemacht, auch für meinen späteren Beruf“, ist er rückblickend überzeugt.

Doch es gab auch einen Lichtblick: Als iranischer Staatsangehöriger hatte er die Möglichkeit, in Österreich gratis zu studieren. Ein überzeugender Grund zu bleiben. Einzige Hürde, die es zu überwinden gab, war die Sprache: Um für ein Studium zugelassen zu werden, musste er Deutsch sprechen können. Die zweisemestrige Sprachschule kostete 10.000 Schilling – knapp 700 Euro, eine Summe, die er mit seinem Job als Zeitungs-austräger nicht verdienen konnte, obwohl er mehr als bescheiden lebte und die ersten Monate im Park unter einer Halfpipe „wohnte“. Er musste die Prüfung einfach ohne Deutschkurs bestehen. Also hat er sich Bücher ausgeliehen und autodidaktisch angefangen zu lernen. „Das hat mehr schlecht als recht funktioniert, zumal ich neben dem Zeitungsaustragen auch noch einen zweiten Job als Pizzakoch annehmen musste, um über die Runden zu kommen“, so Daneshgar. Immerhin musste er an der TU „nur“ eine mündliche Prüfung bestehen. Seine Prüfungsvorbereitung bestand aus einem Satz und zwei A4-Seiten Text, die er auswendig lernte. 30 angehende Studenten wurden damals im Schnellverfahren abgeprüft. Als die Reihe an ihm war, sagte er seinen Satz auf: „Das ist der Wendepunkt in meinem Leben – jetzt wo ich hier sitze“, daran kann er sich auch noch fast 25 Jahre später erinnern. Mit einem „Warum?“ folgte die geplante Frage des Prüfers und die ebenso geplante wie einstudierte Antwort. Ungefähr im letzten Drittel der zweiten Seite kam dann auch das erlösende „Bestanden“.

IN MINDESTSTUDIENZEIT ZUM DIPLOM

Nach der Zulassung zum Architekturstudium konnte ihn nichts mehr stoppen. Es folgten intensive Jahre des Studierens, in denen er nicht nur viel über Architektur und Gestaltung, Statik und Bauphysik lernte, sondern mit einiger Mühe letztendlich auch die Sprache. Von zwei Uhr nachts bis sechs Uhr morgens Zeitungen austragen, dann direkt auf die Uni, um pünktlich um acht Uhr in der Bauphysikvorlesung zu sitzen. Abends stand er dann hinter dem Pizzaofen. So sah lange Zeit Daneshgars Alltag aus. Von dem ersten Geld, das er sich zusammensparen konnte, kaufte er sich einen Computer und lernte im Eigenstudium, wie man Projekte dreidimensional visualisiert. „Das war meine Eintrittskarte in die Architekturbüros.“ Statt 20 Schilling Stundenlohn in der Pizzeria verdiente er 100 Schilling in der Stunde am virtuellen Zeichenbrett – später 250, dann 500, und am Ende des Studiums hatte er einen Stundenlohn von 700 Schilling. Obwohl er sein ganzes Studium hindurch fast Vollzeit arbeitete, schaffte er sein Diplom in der Mindeststudienzeit von zehn Semestern.

AUS DEM HÖRSAAL IN DEN HÖRSAAL

„Aus dem Hörsaal in den Hörsaal“ hieß es für Daneshgar direkt nach seinem Abschluss im Jahr 1997 – nur dass er vom überfüllten Auditorium auf das Rednerpult wechselte. Bis zum Jahr 2000 war er als Tutor und anschließend bis 2011 als Universitätsassistent am Hochbauinstitut der TU beschäftigt. In dieser Zeit machte er auch seinen Doktor der technischen Wissenschaften.

Doch Lehren alleine war ihm nicht genug, er wollte um jeden Preis bauen. Deshalb arbeitete er parallel in verschiedenen Büros und wickelte eigenständig seine ersten kleineren Aufträge ab. Bis er schließlich das nötige Rüstzeug hatte, um es als freischaffender Architekt alleine zu versuchen. 2002 eröffnete er sein Büro „Daneshgar Architects“. Anfangs eine Ein-Mann-Show, hat er heute fünf Mitarbeiter, mit denen er Projekte in allen Größenordnungen abwickelt, vom detailverliebten Kleingartenhaus über zahlreiche Dachgeschoßausbauten bis hin zu Großprojekten mit mehreren tausend Quadratmetern Nutzfläche. Die Teilnahme an internationalen Wettbewerben führte ihn über München und Berlin bis nach London und Stockholm, wo er tatsächlich Projekte realisieren konnte. Selbst bis in seine Heimatstadt Teheran hat ihn seine Umtriebigkeit verschlagen. Realisieren konnte er dort bislang leider noch kein Projekt, aber für Aufsehen hat er gesorgt, zum Beispiel mit seinem Entwurf für ein Monument am Sanat Square, das sich von der Geometrie persischer Schriftzeichen ableitet. So ist auch das iranische staatliche Fernsehen auf ihn aufmerksam geworden, das ihm im Rahmen des Schwerpunkts „erfolgreiche Iraner im Ausland“ einen 40-minütigen Beitrag widmete. Sprichwörtlich über Nacht wurde er, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, zu einem der bekanntesten Architekten in dem Land, in dem er bislang noch nie gebaut hat. „In den Tagen nach der Ausstrahlung landeten über 8.000 E-Mails aus dem Iran in meinem Posteingang.“ Einmal im Jahr veranstaltet er an der Technischen Universität in Teheran einen Workshop für Architekturstudenten. Als Lehrbeauftragter hält er immer wieder auch Vorträge und Vorlesungen – sowohl an der Webster University als auch nach wie vor an der TU in Wien.

DER ARCHITEKT GANZ PRIVAT

Österreich ist Daneshgar zu einer zweiten Heimat geworden. Nicht zuletzt deswegen, weil er hier seine Liebe fand, mit der er mittlerweile zwei Töchter im Alter von acht und zwölf Jahren hat. Seine Familie ist auch der Grund, warum er den Fokus seiner beruflichen Tätigkeit wieder mehr nach Österreich verlagert hat. „Zwischen 2008 und 2012 war ich zwei bis dreimal die Woche unterwegs. Um sechs Uhr morgens saß ich im Flieger nach London oder Stockholm und kam spät abends wieder zurück. Ich habe kaum mit-bekommen, wie meine Kinder größer wurden. Und der große finanzielle Erfolg war es im Vergleich mit dem Preis, den man zahlt, auch nicht.“ In jedem Fall aber war es ein Erfahrungsgewinn, der ihn mit dem hiesigen Dschungel an Gesetzen, Bauvorschriften, Richtlinien und dem Behördenspießrutenlauf, den es mitunter zu absolvieren gilt, wieder ein wenig versöhnt hat. „Im Grunde genommen ist es überall dasselbe, es glauben nur immer alle, dass sie es anders oder besser machen“, lautet sein Fazit.

Heute verbringt er mehr Zeit mit seiner Frau und den Kindern und hat eine Möglichkeit gefunden, seinen Kopf frei zu machen: „Fast täglich nach der Arbeit gehe ich schwimmen und kraule unaufhaltsam meine Längen, denke über meine Projekte nach, an die Feuerpolizei, die Behörden etc. Nach fünfzig Minuten bin ich gereinigt und gehe glücklich nachhause.“

Person

Armin Mohsen Daneshgar, Architekt
verheiratet, zwei Kinder lebt und arbeitet in Wien

1997 Architekturdiplom an der TU Wien
1997 – 2000 Tutor, TU Wien
2000 – 2011 Universitätsassistent am Institut für Hochbau an der TU Wien
2002 Gründung Daneshgar Architects, freischaffender Architekt

www.daneshgararchitects.com