Im Gespräch: Roland Suter will gleiches Recht für alle
Für Roland Suter, Präsident des Österreichischen Fertighausverbandes, geht es nicht darum einen Baustoff oder einen Bautypus zu bevorzugen, sondern um gleiches (Bau)Recht für alle – unabhängig davon welcher Werkstoff der jeweiligen Bauweise zugrunde liegt.
weissmagazin: Bei der Errichtung von Einfamilienhäusern hat sich der Fertigbau gut etabliert. Wie sieht das im Bereich mehrgeschößiger Wohnbau, bei Büro- und Gewerbeimmobilien aus?
Suter: Obwohl der Einfamilienhausbau seit Jahren ein rückläufiges Wachstum zeigt, ist es der Fertighausbranche gelungen ihre Marktanteile zu halten. Derzeit liegen wir bei rund 31 Prozent des gesamten Bauvolumens im Einfamilienhaussektor. Im großvolumigen Bauen sieht die Situation ganz anders aus, da ist die Fertigbauweise sicher noch unterrepräsentiert. Gleichzeitig sehe ich hier aber auch ein großes Potential für die Zukunft. Je enger und höher gebaut wird, umso mehr ist das Bauen mit Fertigteilen ein Thema und umso mehr müssen sich auch unsere Mitglieder damit auseinandersetzen. Leider sind uns dabei von der Gesetzgebung Grenzen gesetzt. Ein Großteil der Fertigelemente wird in Holz gebaut, das heißt beispielsweise, dass wir in Niederösterreich mit vier oder in Wien mit sechs Geschoßen am Ende der Fahnenstange angelangt sind.
weissmagazin: Wie sieht die ungefähre Verteilung zwischen Holzbau, Beton oder Ziegelmassiv in der Fertigbauweise aus?
Suter: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn in Österreich gibt es keine Statistik, die verbindliches Zahlenmaterial dazu liefert. Es wird zwar erhoben, wie viel des gesamten Bauvolumens in Fertigbauweise errichtet wird, aber nicht die Bauweise. Man kann aber davon ausgehen, dass rund 80 bis 85 Prozent aller Fertigteilelemente als Holzleicht- bzw. Holzrahmenbau produziert werden.
weissmagazin: Wie stellt sich die Situation der Fertigteilindustrie auf europäischer Ebene dar? Hat sich in anderen Ländern das Fertighaus auch im mehrgeschößigen, großvolumigen Hochbau etabliert?
Suter: Man muss nur einen Blick über die Grenzen wagen. In unseren Nachbarstaaten steht man der Fertigbauweise, respektive dem Holzbau viel aufgeschlossener gegenüber. In Österreich kämpfen wir immer noch mit Baugesetzen und baulichen Voraussetzungen, die vor 40 bis 50 Jahren gemacht wurden. Erschwerend haben wir schon alleine durch die neun verschiedenen Bauordnungen auch neun unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema. Das ist bezeichnend! Wieso gibt es in der Schweiz annähernd 1500 mehrgeschößige Gebäude in Holzbauweise? Warum darf man in England bis acht, in Italien bis neun oder in Norwegen 14 Geschoße in Holz bauen und in Österreich nicht?
weissmagazin: Was machen Länder wie beispielsweise die Schweiz in puncto Fertigbau bzw. Holzbau besser?
Suter: Die Schweiz ist in der Beziehung wesentlich beweglicher. Das hat sicher auch damit zu tun, dass es keine so starke Massivbaulobby wie in Österreich gibt. Damit sind die Interessenslagen besser verteilt. Auch die Gesetzeslage ist wesentlich einfacher und das Bauen an sich ist insgesamt viel weniger politisch als hierzulande. Zudem hat sich die Schweiz auch das ambitionierte Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft gesetzt. Das heißt bis zum Jahr 2100 soll nicht nur der Primärenergiebedarf auf 2000 Watt Dauerleistung pro Person reduziert werden, sondern auch der Ausstoß an Treibhausgasen auf eine Tonne CO2 pro Kopf gesenkt werden. Dabei spielt der Fertigteilbau bzw. der Holzbau natürlich eine entscheidende Rolle.
weissmagazin: Sie sind jetzt seit einem Jahr als Präsident an der Spitze des Fertighausverbandes und haben damit die Hälfte Ihrer Amtszeit hinter sich. Was sind Ihre Ziele für die gesamte Amtsperiode? Bessere Rahmenbedingungen für den mehrgeschoßigen Holz-Fertigbau?
Suter: Das wäre natürlich wünschenswert. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass man innerhalb einer Amtsperiode keine Wunder bewirken kann – vor allem dann nicht, wenn ein Verband seit Jahren durch sehr gute Präsidenten geführt wurde. In den vergangenen zwölf Monaten war die Wirtschaftskrise eine der größten Herausforderungen. In den Jahren 2008 bis 2011 hat der Fertigbau eindeutig von der Krise profitiert. Weil sichere Immobilien wesentlich gefragter waren als vermeintlich nicht ganz so sichere Aktien haben die Menschen in diesen Bereich investiert. Das ist im vergangenen Jahr deutlich abgeflacht, was sicher auch mit den erhöhten Anforderungen von Seiten der Banken bei der Vergabe von Krediten zusammen hängt. Das hat es uns nicht gerade leichter gemacht Wachstum zu erzielen.
weissmagazin: Gibt es spezielle Wünsche oder Forderungen an die Politik? Und wie stehen die Chancen auch gehört zu werden?
Suter: Im Moment stößt man auf politischer Ebene fast überall auf offene Ohren, es scheitert aber an der Umsetzung. Sehen Sie sich nur an, wie lange wir schon über die OIB-Richtlinien sprechen. Es ist mir völlig unverständlich, dass es nach wie vor zwei Bundesländer gibt, die es in der langen Zeit immer noch nicht geschafft haben diese umzusetzen. Das ist skandalös. Da muss man sich schon einmal überlegen, welche Kräfte dahinter stecken, die das verhindern! Wir wissen alle, dass man beim Bauen CO2 einsparen muss oder dem ökologischen Bauen den Vorrang geben sollte. Genauso unumstritten ist die Notwendigkeit gute Dämmwerte zu erzielen. In all diesen Belangen ist der Fertighausbau in Holz führend. Und wir möchten den Beweis antreten, dass das auch im großvolumigen Hochbau funktioniert. Dabei wollen wir gar keine Erleichterung oder Bevorzugung gegenüber anderen Bauweisen, sondern nur Chancengleichheit. Wir wollen, dass in Zukunft Holz wie jeder andere Baustoff behandelt wird. Jedes Baumaterial hat seine natürlichen Grenzen – das steht außer Zweifel. Im Holzbau haben wir diese aber noch lange nicht erreicht! Es geht nicht darum Hochhäuser zu bauen, aber wir wollen im Rahmen der Möglichkeiten, die der Werkstoff Holz bietet bauen können.
weissmagazin: Das Angebotsspektrum der Fertighausbauer hat sich in den vergangenen Jahren stark erweitert. Welche Ansprüche stellen Kunden heute an Ihre Immobilie, was beispielsweise den Brand-, Wärmeoder Schallschutz anbelangt? Wie steht es um die technische Infrastruktur?
Suter: Ein guter Wärmeschutz und ebenso der Brandschutz sind heute Standard und werden vom Kunden vorausgesetzt. Der Schallschutz ist im Einfamilienhaus bislang noch kein Thema, sehr wohl aber im mehrgeschoßigen Wohnbau, wo der Schallschutz letztendlich ja auch vonseiten des Gesetzgebers gefordert wird. Es ist aber kein großes Kunststück mehr mit der Fertigbauweise die geforderten Werte zu erreichen. Die steigenden Komfortansprüche erfordern Lösungen, die über den Standard hinausgehen. So haben sich in den vergangenen Jahren vor allem die Anforderungen im technischen Bereich, wie zum Beispiel BUS-Systeme, stark entwickelt. Heute geht der Trend eindeutig in Richtung schlüsselfertigt. Und die meisten Mitglieder des Verbandes bieten mittlerweile die gesamte Palette bis zur schlüsselfertigen Übergabe an – teilweise sogar inklusive Möblierung. Unsere Kunden fordern heute Komplettlösungen. Das ist aber gleichzeitig auch einer der Hauptgründe, die für ein Fertighaus sprechen. Wer sonst bietet alles aus einer Hand, unter einem Vertrag zu einem fixen Preis?
weissmagazin: Was kann bzw. was tut der Verband bereits um seine Mitglieder bei den gestiegenen Anforderungen an den Fertighausbau zu unterstützen?
Suter: Der Verband fungiert diesbezüglich als Plattform bzw. bietet er ein Netzwerk, über das Lösungen gesucht oder Kompetenzen ausgetauscht werden können. Die Zulieferindustrie ist uns dabei eine große Hilfe. Ein gutes Beispiel ist die technische Kommission, in der auch die Zulieferer sitzen und die Möglichkeit haben ihre Fragestellungen und Lösungen zu präsentieren.
weissmagazin: Ein Problem, mit dem immer mehr Unternehmen quer durch alle Branchen zu kämpfen haben ist der Facharbeitermangel bzw. das Fehlen von Nachwuchskräften. Wie sieht das in der Fertighausbranche aus?
Suter: Es ist tatsächlich ein Segen für uns, dass wir vor rund 12 Jahren die Lehrausbildung ins Leben gerufen haben. Wir bilden unsere Lehrlinge in zwei Jahren am Holz und am Fertighaus in den Produktionswerkstätten aus, danach geht er auf die Baustelle und lernt die Montage. Mit einem zusätzlichen Ausbildungsjahr haben sie die zusätzliche Möglichkeit auch noch einen Abschluss als Zimmerer zu erlangen. Das heißt unsere Leute, haben am Ende ihrer Ausbildung zwei Lehrabschlüsse in der Tasche. Diese Doppelgleisigkeit hat wesentlich zur Attraktivität des Lehrberufs Fertigteilhausbauer beigetragen. Was uns noch unterscheidet und das Berufsbild der Fertigteilhausbauers attraktiv macht, ist die Möglichkeit der Weiterbildung. Das wird in vielen Branchen sehr mangelhaft und unambitioniert betrieben. Vor diesem Hintergrund hat auch die EU die Länder verpflichtet, eine nationale Strategie zur Optimierung der Bauberufe zu entwickeln. Vor kurzem wurde die Nationale Roadmap für Österreich präsentiert, an der wir auch mitgearbeitet haben. In der zweiten Phase geht es jetzt an die Realisierung. Im Rahmen dieser europaweiten Initiative mit dem Titel „BUILD UP Skills“ wollen wir verbandsintern eine entsprechende Qualifizierung und Weiterbildung ermöglichen. Das wird im Rahmen unserer neu gegründeten Akademie passieren. Das ist ein weiterer wichtiger Puzzlestein für das hohe Qualitätslevel, das wir als Fertighausbauer bieten.
weissmagazin: Hohe Qualitätslevels sind eines der Erfolgsrezepte der Fertighausbranche. Sie bzw. die Mitglieder haben beispielsweise schon sehr früh auf Fremdüberwachung gesetzt – Stichwort Gütesiegel. Gleichzeitig sind ÜA-Zeichen, CE-Kennzeichnung und als Basis dafür die Europäische technische Zulassung (ETZ) gängige Standards in der Branche. Hilft das, um sich am internationalen Markt zu behaupten oder geht es dann letztendlich doch wieder nur um die Erfüllung bzw. Einhaltung nationaler Regelwerke?
Suter: Das kann man sehr einfach auf einen Nenner bringen: Im Westen Europas darf man im Osten nein! Im Westen ist beispielsweise die ETZ tatsächlich ein Türöffner für den Export. Die österreichische Fertighausbranche hat bereits im Jahr 2007 die erste ETZ erwirkt. Dabei ist es wichtig mit kompetenten Industriepartnern zusammen zu arbeiten, um die hohen Qualitätsanforderungen und die vielen Nachweise erbringen zu können. Dadurch ist auch das Image des österreichischen Fertighauses international sehr hoch angesiedelt. Ich behaupte sogar, dass uns die deutschen oder schweizerischen Hersteller um unser Qualitätslevel und unser Image beneiden. Nicht umsonst haben wir einen so hohen Anteil am Marktvolumen. Unsere Mitglieder erklären sich bereit die Qualität ihrer Arbeit überprüfen zu lassen – und zwar nicht nur in der Fabrik, sondern auch auf der Baustelle. Deshalb nennen wir uns auch Gütegemeinschaft. In Westeuropa werden diese Akkreditierungen anerkannt und wir müssen keine nationalen Prüfungen vorweisen. Anders sieht das dahingegen im Osten Europas aus. Wobei sich auch da langsam etwas bewegt und man davon ausgehen kann, dass man auch dort die ETZ oder das CE-Kennzeichen mittelfristig akzeptieren wird.
weissmagazin: Welche Rolle spielt die Zulieferindustrie bei der Erfüllung ihrer Qualitätsansprüche?
Suter: Eine ganz entscheidende – ohne die Industrie wär das nicht möglich. Wir brauchen für das Produkt, das wir vertreiben im Hintergrund auch die Zulieferindustrie, die entsprechenden Systeme bzw. Lösungen bereitstellt. Ohne geht‘ s nicht.
weissmagazin: Was kann bzw. wird der Verband tun, um den Holz(fertig)bau stärker oder besser zu etablieren?
Suter: Im Prinzip müssen wir nur die Arbeit, die wir schon seit Jahren machen, stärker vorantreiben. Wir sind seit jeher sehr aktiv in den Normungskommissionen, dort müssen wir unsere Forderungen auch weiterhin einbringen. Gleichzeitig müssen wir aber auch vermehrt Lobbying bei den politischen Entscheidungsträgern machen. Und es bedarf einer viel stärkeren Vernetzung und Bündelung der Kräfte um sich Gehör zu verschaffen. Diesbezüglich werden wir in Zukunft versuchen vermehrt mit den Zimmereien zusammen zu arbeiten. In vielen Bereichen – wie zum Beispiel bei der Harmonisierung der Bauordnungen – decken sich unsere Interessen. Da gibt es Vieles, das wir gemeinsam vorantreiben können. Wie das funktionieren kann, zeigt letztendlich ja auch unser Verband selbst. Obwohl wir in vielen Bereichen Konkurrenten sind, ziehen wir trotzdem an einem Strang, wenn es darum geht unsere gemeinsamen Interessen durchzusetzen.