In der Ruhe liegt die Kraft

  • Abbildung 1
    Abbildung 1
    Designhotel im neuen MSC2 : Den gestalterisch hohen Ansprüchen muss auch der Trockenbau Rechnung tragen, wie hier im Frühstücksraum die abgehängte, elliptische Decke mit akustisch wirksamer Lochdecke. © www.petrdobias.com
  • Abbildung 2
    Abbildung 2
    „Bereits eine Verbesserung der Schalldämmung um zehn Dezibel wird vom menschlichen Ohr als eine Halbierung des Lärms wahrgenommen.“ Andreas Deix, RIGIPS Fachberater © Rudischer & Panzenböck / www.rundp.at
  • Abbildung 3
    Abbildung 3
    Ansprechend funktional: Design und Funktionalität gehen im gesamten Gebäude eine Symbiose ein. So sorgen beispielsweise Doppelständerwände zwischen den Zimmern und Gangzonen für ungestörten Schlaf hinter den markanten, unverwechselbaren Türzonen. © Rudischer & Panzenböck / www.rundp.at

Das menschliche Gehör macht keine Pause – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr haben die Ohren „geöffnet“. Rund um die Uhr steht das Gehör unter schalltechnischem Beschuss. Vor allem im urbanen Umfeld sind Ruheorte als Rückzugsräume Mangelware. Vor diesem Hintergrund ist der Schallschutz in Gebäuden eine wesentliche Voraussetzung für die psychische Gesundheit ebenso wie für ein harmonisches Miteinander.

Büros und Ordinationsräume, zahlreiche Geschäftsflächen und ein Hotel, das direkt über einem Filmstudio sitzt: Das ist der breit gefächerte Nutzungsmix im neuen Multifunktionsgebäude MSC2 im niederösterreichischen Neunkirchen. Für eine friedliche Koexistenz der so unterschiedlichen Gebäudenutzer und Nutzungsarten ist die schalltechnische Trennung der einzelnen Funktionseinheiten eine der wesentlichen baulichen Voraussetzungen. Deshalb galt es im Zuge der Planung und Ausführung in erster Linie eine schalltechnische Entkopplung des Filmstudios von den restlichen Gebäudeeinheiten zu gewährleisten. Ebenso war es erforderlich, zwischen den einzelnen Aufnahmestudios bzw. zum schalltechnisch und akustisch sehr sensiblen Bereich des Sprechers für eine entsprechende Abschottung zu sorgen.

AKUSTISCHE UMWELTVERSCHMUTZUNG

Lärm ist heute ein Umweltproblem ersten Ranges. Fast zwei Drittel der Bevölkerung fühlen sich durch Lärm belästigt, in urbanen Ballungsräumen liegt dieser Wert sogar noch deutlich höher. Vor der akustischen Umweltverschmutzung gibt es kein Entkommen. Der Kollege, der am Schreibtisch nebenan den ganzen Tag lauthals telefoniert, dröhnender Straßenverkehr vor der Haustüre, die musikalische Untermalung im Supermarkt, die zum Kaufen animieren soll. Rund 40 Prozent der Menschen entkommen selbst in den eigenen vier Wänden nicht dem Lärm der anderen. Da ist der Nachbar von nebenan, der gerade sein Klavier stimmt, die drei Kleinkinder in der Wohnung eine Etage höher und dann noch der neue Mieter, der immer samstags seine Wohnung saniert und mit der Bohrmaschine im regelmäßigen Rhythmus die Wochenendidylle unterbricht.

„Den größten Anteil an der Lärmbelästigung trägt der Verkehr, dicht gefolgt vom Lärm, der durch Nachbarn verursacht wird“, weiß auch Herbert Müllner, Leiter des Fachbereichs Akustik und Bauphysik an der TGM Versuchsanstalt in Wien. Zahllose Laborversuche zur akustischen und schalltechnischen Qualität sowie Leistungsfähigkeit von Bauteilen hat er in den vergangenen Jahren durchgeführt und sich mit den Auswirkungen von Lärm auf die menschliche Gesundheit beschäftigt. „Anders als zum Beispiel bei der Wärmedämmung kann man beim Lärmschutz den Nutzen nur schwer messen und in konkreten Zahlen angeben. Wie soll man die Leistungs-steigerung ausgeruhter Menschen bewerten, die nicht mehr täglich die lärmbedingte Müdigkeit überwinden müssen. Wie beziffert man die besseren Lernleistungen von Kindern als gewonnener Wert für die Volkswirtschaft?“, bringt Müllner die Problematik bei der Beurteilung von Lärmschutzmaßnahmen auf den Punkt.

LÄRM UND PSYCHE

Die permanente unfreiwillige Dauerbeschallung mindert nicht nur ganz allgemein die Lebensqualität, sondern kann auf lange Sicht tatsächlich krank machen. Dabei geht es nicht in erster Linie um die lärmbedingte Schwerhörigkeit – also die Schäden am Gehör selbst – sondern vielmehr um die psychischen Folgen einer dauernden Beschallung, wie Konzentrationsstörungen, Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Lernbehinderungen bei Kindern, Schlafstörungen oder psychische Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt. So schätzen beispielsweise Mediziner, dass Lärm nach dem Rauchen heute das zweitgrößte Herzinfarktrisiko darstellt. Zu diesem Ergebnis kommt eine europaweite Studie(1) der WHO, die den Verlust an gesunden Lebensjahren durch Umgebungslärm quantifiziert. (1) Studie der WHO: Burden of disease from environmental noise. Quantivication of healthy life years lost in Europe, World Health Organization 2011.

HIGH-TECH SORGT FÃœR RUHE

Von derlei Beeinträchtigungen auf die Lebens- und Arbeitsqualität sowie auf die Gesundheit bleiben die Nutzer des MSC2 zumindest aus lärmtechnischer Sicht verschont. Um das geforderte Schalldämmmaß von 66 dB der Trennwandkonstruktionen im eingebauten Zustand im neuen Gebäude in Neunkirchen zu erreichen, wurde ein System gewählt, das mit einem Labor-Schalldämm-Wert von 78 dB aufwarten kann. Dafür kamen Duo’Tech Platten zum Einsatz, die als leichte Zwischen- oder Trennwandkonstruktion, aber auch als Vorsatzschale bei massiven Bauteilen die Schalldämmung vor allem im tieffrequenten Bereich deutlich verbessern und zudem den Resonanzeinbruch in den höheren Frequenzen auf ein Minimum reduzieren. „Im Wesentlichen beruht die außergewöhnlich gute Schalldämmung auf dem Einsatz eines voll recyclingfähigen High-Performance-Klebers. Diese dünne Klebeschicht zwischen den zwei 12,5 Millimeter starken Trockenbauplatten dämpft die auftreffende Schallenergie durch Mikroschwingungen und gibt nur einen kleinen Teil weiter“, erklärt RIGIPS Fachberater Andreas Deix. Durch den Einsatz einer Lage Duo’Tech kann im Vergleich mit einer doppelten Standardbeplankung die Schalldämmwirkung um sieben Dezibel, bei Massivbaukonstruktionen sogar um bis zu 19 dB verbessert werden. „Bereits eine Verbesserung der Schall-däm-mung um zehn Dezibel wird vom menschlichen Ohr als eine Halbierung des Lärms wahrgenommen“, so Deix weiter.

SCHWEIGEN IST GOLD (WERT)

Nicht nur die Schallemissionen, die von außen auf ein Gebäude eindringen, oder die direkten Nachbarn können die Nutzung eines Hauses einschränken, auch das Bauwerk selbst bzw. die Haustechnik verursacht Lärm. Vor allem dann, wenn es sich dabei um riesige Hallen handelt, die für große Besuchermengen zugelassen sind. Wie zum Beispiel bei der neuen Halle 21 der Welser Messe, die nach den Plänen von Benesch/Stögmüller Architekten derzeit gerade fertig gestellt wird. Mit dieser zusätzlichen Ausstellungsfläche von 10.000 Quadratmetern verfügt die Messe Wels dann über die größte Hallenfläche aller österreichischen Messestandorte. Die neue Halle 21 wird auch in puncto Raumqualität und –klima den modernsten Standards entsprechen. „Dazu gehört auch eine entsprechende Lüftungsanlage, die sich in knapp zehn Metern Höhe mit einer Länge von rund 100 Metern über die gesamte Gebäudelänge erstreckt“, berichtet Gerald Staudinger, Projektleiter beim Welser Trockenbauunternehmen Fischer & Edelsbacher. Damit die leistungsstarke Lüftungsanlage neben Frischluft nicht auch die entsprechenden Betriebs-geräusche in die Halle emittiert, wurde der gesamte Tunnel mit rund 600 Quadratmetern Duo’Tech-Platten verkleidet. So verfügt die Halle nicht nur über ein hervorragendes Raumklima, sondern auch über eine hochwertige Raumakustik. Dank schalltechnischer Entkoppelung der Haustechnikanlage ermöglicht diese vielfältige Nutzungsvarianten ohne interne Lärmbelästigung.

F a k t e n

MSC2 Multifunktionsgebäude, 2620 Neunkirchen
Bauherr: MSC Betriebs- und Verwaltungs GmbH, 2620 Neunkirchen
Generalplaner: Rudischer & Panzenböck (gewerbliche) Architekten GmbH, 2620 Neunkirchen
Bauphysik: Johannes Kondor, Komfortplan Kondor GmbH, 1050 Wien
Trockenbau: Tscherne Trockenausbau GmbH, 8262 Ilz