PORTRAIT: Offen für neue Wohnkonzepte

  • Im Interview: Johannes Karner
    Im Interview: Johannes Karner
    Johannes Karner, Sprecher der Geschäftsführung der NÖ Wohnbaugruppe, blickt mit Zuversicht auf die Entwicklung des Wohnbaus in Niederösterreich. In flexiblen Raumkonzepten sieht er die Zukunft des Wohnens. © senft & partner
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    „Der Wohnraumbedarf ist heute so flexibel wie nie zuvor. “ Johannes Karner © senft & partner
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    „Um die Anforderungen an variable Gebäude zu erfüllen, wird man in Zukunft vermehrt auf Hybridbauweise setzen.“ Johannes Karner © senft & partner

 

Seit knapp einem Jahr ist Johannes Karner Sprecher der Niederösterreichischen Wohnbaugruppe, ein Zusammenschluss von vier gemeinnützigen Wohnbauträgern mit Arbeitsschwerpunkt in Niederösterreich. Im Interview erklärt er, in welche Richtung sich das Wohnen im größten österreichischen Bundesland entwickelt und welchen Stellenwert Architektur dabei hat.

Die NÖ Wohnbaugruppe ist der größte gemeinnützige Wohnbauträger in Niederösterreich. Wer steht dahinter?

Die NÖ Wohnbaugruppe ist ein Zusammenschluss von vier gemeinnützigen Wohnbauträgern, die gemeinsam nach außen auftreten. Die Gruppe übergibt im Jahr rund 750 Wohnungen. Der Tätigkeitsbereich umfasst das gesamte Bundesland Niederösterreich. Das heißt, wir haben ein sehr großes Gebiet zu betreuen, was zwar in der Errichtung selbst weniger eine Rolle spielt, aber vor allem in der Bewirtschaftung der Immobilien eine Herausforderung darstellt. Dazu kommt, dass wir in der Regel eher kleinere Wohnanlagen zu betreuen haben, vor allem in den peripheren Lagen.

Wie viele Wohneinheiten meinen Sie konkret, wenn Sie von kleineren Anlagen sprechen?

Da handelt es sich oft nur um zwölf bis 15 Wohnungen, also sehr kleinteilige Strukturen. Das unterscheidet uns vom geförderten Wohnungsmarkt in den Ballungszentren.

Wenn man beispielsweise den Wohnungsmarkt in Wien betrachtet, dann hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Steigende Grundstückspreise und hohe Errichtungskosten führen zu einer deutlichen Verteuerung des Wohnens. Sind kompaktere Wohnungsgrößen der Schlüssel zu leistbarem Wohnraum. Wie verhält sich das in Niederösterreich?

Auch in Niederösterreich gibt es den Trend hin zu kleineren Wohnungen. Wir errichten nur knapp zehn Prozent aller unserer Wohnungen mit einer Nutzfläche um die 90 bis 100 Quadratmeter. Gut zwei Drittel bauen wir in der Größe von 70 bis 75 Quadratmeter. Der Rest liegt jetzt schon bei 50 Quadratmetern, mit steigender Tendenz. Das liegt aber gar nicht nur an der Erhöhung der Grundstückspreise – die wir natürlich auch spüren –, sondern viel mehr an der gesteigerten Nachfrage. Es gibt immer mehr Singlehaus-halte, als das noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Und selbstverständlich spielen auch höhere Mietkosten und Quadratmeterpreise eine Rolle. Wir haben den Auftrag, leistbaren Wohnraum zu errichten, und das lässt sich oft nur über geringere Wohnungsgrößen erreichen.

Geht in Niederösterreich die Nachfrage eher in Richtung Miete oder Eigentum?

Wir konzentrieren uns vorrangig auf das Wohnungseigentum, und zwar speziell auf das Miet-Kauf-Modell. Sprich, man mietet eine Wohnung, und nach zehn Jahren hat man das Recht, diese zu kaufen. Wir entscheiden das individuell von Projekt zu Projekt. Das heißt, es gibt die drei Varianten Miete, Kauf und Miet-Kauf; wobei letztere mit rund 80 Prozent den Löwenanteil ausmacht. Zusätzlich haben wir mit „Junges Wohnen“ und „Betreutes Wohnen“ auch zwei Sonderwohnformen, die nur in Miete vergeben werden.

Wie sieht bei Ihnen in der Regel der Projektablauf bei Neubauten aus? Liegen Planung und Vergabe bei den Mitgliedern der Wohnbaugruppe oder schreiben Sie Architekturwettbewerbe aus?

Jeder Bauträger in unserer Gruppe hat seine eigene Bauabteilung, die sich aber primär um die Umsetzung und die Kosteneffizienz kümmert. Die Architekturplanung erfolgt immer extern. In der Regel schreiben wir einen Architekturwettbewerb aus, ab einer Projektgröße von über 29 Wohneinheiten ist dieser in Niederösterreich auch vorgeschrieben, wenn man mit Fördermitteln baut. Darunter kann man die Planungsleistungen direkt vergeben, muss das Projekt aber dem Gestaltungsbeirat vorlegen, der die fachliche Beurteilung im Sinne eines Architekturwettbewerbs ersetzt.

Geladener oder offener Architekturwettbewerb? Was muss man als Architekt für Voraussetzungen erfüllen, um zu einem Wettbewerb eingeladen zu werden?

Wir setzen auf geladene Wettbewerbe, zu denen wir in der Regel fünf Planer einladen. Dabei überlegen wir uns, welcher Planer zu welchem Projekt am besten passt. Und natürlich wird auch immer die Standortgemeinde eingeladen, einen Planer zu nominieren.

Welchen Stellenwert hat Architektur für die NÖ Wohnbaugruppe und für Sie persönlich?

Ich bin sehr architekturaffin und schätze gute planerische Lösungen. Im Wohnbau geht es aus meiner Sicht in erster Linie darum, auf die örtlichen Gegebenheiten in einer zeitgemäßen Formensprache zu reagieren. Gleichzeitig darf man dabei nie die Leistbarkeit eines Projekts aus den Augen verlieren. Das ist oft ein ziemlicher Spagat, den man als gemeinnütziger Bauträger hinbekommen muss. Gerade im Wohnbau muss man sagen, dass sich gute Architektur nicht nur an der Fassade zeigt, in erster Linie geht es um räumliche Qualitäten.

Lassen sich diese Ansprüche im engen geförderten Kostenrahmen für leistbares Wohnen unter einen Hut bringen?

Ja es geht, aber es ist schwierig. Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg, und natürlich gibt es immer auch noch Luft nach oben. Aber gerade wenn es um Leistbarkeit geht, muss man sich sehr genau überlegen, wo man einspart. Ich denke, es ist der falsche Ansatz, erst an den Oberflächen zu sparen – da ist nicht viel drin. In der Struktur des Gebäudes kann man die höchste Kosteneffizienz erzielen. Wenn wir einen Vorentwurf begutachten, dann sehen wir uns sehr genau an, wieviel das in der Realisierung kosten wird – bevor wir zu bauen beginnen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Wohnbau der Zukunft?

Das hängt ebenfalls mit der Struktur zusammen. Wir müssen in Zukunft noch viel mehr darauf achten, dass wir Raumkonzepte so entwickeln, dass sie in weiterer Folge auch adaptierbar sind und wir sie an sich ändernde Wohnbedürfnisse anpassen können. Wir errichten Gebäude, die eine Bestandsdauer von mindestens 50 Jahren haben. Gleichzeitig wissen wir heute nicht, wie unsere Ansprüche in 20 oder 30 Jahren aussehen werden. Das ist sicher die größte Herausforderung an unsere Generation. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir auf geänderte Lebensumstände reagieren können. Im Moment bauen wir sehr viele kleine Wohnungen, möglicherweise wird der Bedarf in zwei, drei Jahrzehnten wieder ganz anders aussehen. Ich denke da zum Beispiel an Wohngemeinschaften abseits der klassischen Familie oder auch die Kombination von Wohnung und Büro. Der Wohnraumbedarf heute – und in der Zukunft sicher noch viel mehr – ist so flexibel wie nie zuvor.

Wie kann man darauf baulich reagieren?

Da haben wir leider kein Patentrezept. Grundsätzlich muss man sich überlegen, wie die Tragstruktur eines Gebäudes aussehen soll, damit das Innenleben so veränderbar wie möglich ist. Es muss möglich sein, einzelne Räume flexibel der einen oder der anderen Wohnung zuzuschalten oder Zwischenwände im Wohnungsverband zu versetzen – ohne großen Aufwand. Ein Gebäude, eine Wohnung muss mit seinen Bewohnern mit-leben können. Darauf versuchen wir bei unseren Projekten zu achten. Dem sind klarerweise natürliche Grenzen gesetzt, die wir immer wieder auch versuchen auszureizen bzw. zu verschieben.

Das spricht auch für Leichtbauvarianten oder eine Kombination aus Leicht- und Massivbau?

Unsere Wohnbauten sind überwiegend in Massivbauweise errichtet. Aktuell haben wir aber gerade auch ein Projekt, wo wir mit Brettsperrholz bauen. Wir werden uns in absehbarer Zeit sicher noch mehr auch mit dem Leicht- bzw. Holzbauthema beschäftigen. Um die Anforderungen an variable Gebäude zu erfüllen, wird man in Zukunft vermehrt auf eine Art „Hybridbauweise“ setzen. Sprich, auf eine Kombination aus massiver Tragstruktur, die mit Leichtbauvarianten ausgefächert wird. Dort wird aus meiner Sicht die Zukunft des Wohnbaus liegen.

NÖ Wohnbaugruppe www.noe-wohnbaugruppe.at
Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft "Austria" Aktiengesellschaft
GNB GEBAU-NIOBAU - Gemeinnützige Baugesellschaft m.b.H. 
NBG Niederösterreichische gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft für Arbeiter und Angestellte
WET "Wohnungseigentümer" Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft m.b.H. 

Person

Dir. Ing. Mag. Johannes Karner, Vorsitzender und Vorstandes und Sprecher der Geschäftsführung der NÖ Wohnbaugruppe  
geb. am 6.5.1964, verheiratet, zwei Kinder (17 und 20 Jahre alt)  
Bauingenieur (HTL Wr. Neustadt)  
1992 Studienabschluss, Betriebswirtschaft WU Wien  
Berufsberechtigung für Bauträger- und Maklergewerbe, Mediator  
seit Jänner 2014 Sprecher der GF der NÖ Wohnbaugruppe, verantwortlich für Projektentwicklung, Neubau, Vertrieb, Personal, Marketing  
Berufslaufbahn:  
Geschäftsführer bei Strauss & Partner GmbH (Wien)  
Geschäftsführer der Hypo Leasing GmbH, Real Consult AG (St. Pölten)  
Vortragstätigkeiten an der FH Kufstein sowie am WIFI St. Pölten und Mödling Â