Licht, das aus der Decke fließt
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Georg Bechter ist Tischler, Architekt und Designer. Seine jüngste Kreation sind Leuchten aus Hartgips, die er speziell für den Einbau in Trockenbaudecken und –wänden entwickelt hat. Im Jahr 2010 startete er die serienmäßige Produktion seiner „Lichtskulpturen“, die sich neben der Architektur mittlerweile als solides, zweites Standbein erwiesen haben.
Zuwachsraten von jährlich 100 Prozent in einem dicht besiedelten Marktsegment, und das in wirtschaftlich unruhigen Zeiten – das macht dem jungen Vorarlberger Tischler, Architekten und Lichtdesigner Georg Bechter so schnell keiner nach. Mit seinen Leuchten und Lichtobjekten hat er den (Design)Puls der Zeit getroffen. „Reduzieren, wo es eigentlich nichts mehr zu reduzieren gibt“, könnte man seinen Designansatz in ebenso knappe Worte fassen. Sein Medium: Licht. Das Material mit dem er dieses in Szene setzt: Gips – nicht mehr und nicht weniger.
AUFFÄLLIG UNAUFFÄLLIG
Eine archetypische Formensprache dominiert seine Lichtobjekte, die gestalterisch dezent in den Hintergrund treten und dem Licht bzw. der vom Licht erhellten Architektur die Bühne überlassen – und dabei trotzdem alles andere als unauffällig sind. Klingt wie ein Widerspruch? Ist es aber nicht! Genau an der Grenze zur Unsichtbarkeit, in diesem Spannungsfeld zwischen Scheinbarem und Unscheinbarem kreiert, entwickelt und realisiert er seit dem Jahr 2010 im Vorarlberger Langenegg inmitten des Bregenzerwaldes seine Vorstellungen von gutem Licht. Weiche Kanten und fließende Übergänge, die sich in der Fläche verlieren, kennzeichnen sein Design, dem gerade aufgrund der Leichtigkeit, mit der er mit Form, Material und der Materie Licht spielt, eine gehörige Portion Know-how innewohnt – sowohl in puncto Gestaltung als auch die Fertigung betreffend.
LICHT AUF DEN PUNKT GEBRACHT
Rund 1.000 Leuchten werden in diesem Jahr über den Ladentisch gehen, schätzt Bechter. Das ist rund doppelt so viel wie im vergangenen Jahr und dem Jahr davor. Vorrangig dem Umstand schuldend, dass er keinen Hersteller finden konnte, der seine Ideen und Entwürfe reali-sieren wollte, hat Bechter 2010 seine eigene kleine Manufaktur ins Leben gerufen.
Noch vor der Gründung von Georg Bechter Licht ist er aber mit den ersten Prototypen seiner Einbauleuchte „Verve“ auf den Salone del Mobile nach Mailand gefahren und auf die Möbelmesse nach Köln. Auf den beiden größten Möbel- und Designmessen wollte er Hersteller für seine Entwürfe begeistern, um diese in Serie zu produzieren. „Das war von wenig Erfolg gekrönt. Es waren zwar alle fasziniert und grundsätzlich an einer Zusammenarbeit interessiert, aber eine definitive Zusage habe ich von keinem bekommen. Also hab‘ ich mir gedacht: Dann mach ich es halt selbst“, erinnert sich Bechter.
Mittlerweile ist er sehr froh über diese Entscheidung, dass alles von der Idee über den Entwurf bis zur Herstellung, der Verpackung und dem Versand in seinen eigenen Händen liegt. „So konnten wir in der Entwicklung und Produktion die notwendigen Erfahrungen sammeln, um ein stimmiges und optisch sowie technisch ausgereiftes Produkt auf den Markt zu bringen“, weiß der Jungdesigner heute. Der Start der Produktion war freilich nicht leicht. Bechters Anfänge als Lichtdesigner erinnern ein bisschen an Bill Gates und die Geburtsstunde von Microsoft: Was Gates die Garage seiner Eltern gewesen ist, war Bechter die Scheune hinter seinem Haus. Dort entwarf und baute er seine Prototypen und feilte an der Weiterentwicklung – vor allem, was die Elektronik und die Leuchtmittel anging, gab es noch die entsprechenden produkttechnischen Antworten auf viele offene Fragen zu finden.
Diese grundlegenden Entscheidungen sind längst getroffen. Grundsätzlich verfügen alle Bechter-Leuchten nun über einen Retrofit-Sockel, der sich für den Einsatz von handelsüblichen LED-Leuchten eignet. Denn als Leuchtmittel kommen ausschließlich LED in Frage, da klassische Glüh-birnen viel zu viel Hitze produzieren und die Ober-flächen im Laufe der Zeit verkohlen würde.
WEICH WIE BUTTER, HART WIE STEIN
Als Material für die weichen Formen und Rundungen seiner Gipslampen verwendet Bechter ausschließlich Formula-Hartgips, auch Dentalgips genannt, weil er ursprünglich speziell für diesen Anwendungszweck entwickelt wurde. „Dieser spezielle RIGIPS Hartformengips ist wie keramisches Material, das durch seine extreme Härte natürlich auch vergleichsweise unempfindlich ist, was beim Feinschleifen der Form natürlich erhebliche Vorteile mit sich bringt“, erklärt Bechter. Auch in der Montage kommt die Härte des Materials den Lampen zugute: Kratzer oder Dellen durch den Einbau sind so gut wie ausgeschlossen. Und auch das Schwindverhalten ist minimal. Das hat den Vorteil, dass sich die Module beim Einbau mit Gewebeband und Flächenspachtel so mit der Wand oder der Decke verbinden lassen, dass auch auf lange Sicht keine unschönen Fugenrisse entstehen.
„Wir haben von vornherein bei all unseren Einbaumodulen auch eine Spachtelkante vorgesehen – ganz so wie die Stoßkante bei Rigips-Platten, die ja auch alle über eine abgeflachte Kante verfügen“, beschreibt Bechter die technischen Feinheiten, die den Einbau erleichtern sollen. „Für mich als Handwerker und als Architekt war natürlich beides wichtig: Sowohl ein ansprechendes Design als auch eine hohe Funktionalität in der Handhabung für den Handwerker, der unsere Leuchten ja dann einbauen soll“, so Bechter weiter. Eingebaut werden die einzelnen Module bzw. Leuchten vom Trockenbauer, vom Elektriker werden sie an-schließend nur noch angeschlossen.
Aus der Scheune ist die kleine Manufaktur mittlerweile herausgewachsen. Vier Mitarbeiter sind Vollzeit in der Produktion beschäftigt. Für frische Ideen und neues Design sorgt das Team des Architekturbüros. So ist in den vergangenen vier Jahren eine Kleinserie entstanden, die aus sechs unterschiedlichen Leuchten und Lichtobjekten besteht. Auch die Design-Fachwelt ist mittlerweile auf seine innovativen Leuchten aufmerksam geworden. Für einen seiner jüngsten Entwürfe, den Baldachin, wurde Bechter vom deutschen Rat für Formgebung im Rahmen der Iconic Awards ausgezeichnet und erhielt das Label „Best of Best“. Dabei ist der Baldachin eine denkbar ein-fache Alternative zu den Plastik-Deckenan-schlüssen, die allesamt nach kurzer Zeit doch nur irgendwie schief an der Decke hängen und selbst die edelste Designlampe verunstalten können. Bechters Interpretation des Deckenanschlusses überzeugt dahingegen mit simpler Eleganz. „Eine längst überfällige Innovation“, bezeichnete auch die Jury der Iconic Awards die logische Konsequenz für Trockenbaudecken.
Zur Person Georg Bechter
1977 geboren in Hittisau, Vorarlberg
1992 HTL für Innenausbau/Möbelbau Imst mit Lehrabschluss Tischler und technischer Zeichner
1998 Studium an der Akademie der bildenden Künste Stuttgart
2001 Studium an der TU Wien – Architektur
2002 Bildhauerei bei Prof. Micha Ullman – Akademie der bildenden Künste Stuttgar
2004 Diplom Architektur Seit 2007 freier Architekt 2009-2010 Lehrauftrag an der Hochschule Bremen – School of Architecture
2010 Gründung der Firma GEORG BECHTER LICHT
2010-2012 Dozent an der Universität Innsbruck – Institut für experimentelle Architektur – Hochbau
2011 Berufung in den Gestaltungsbeirat Langenegg
seit 2012 Büro in Langenegg