Krankenhaus mit Wohlfühlfaktor
Zu den zentralen Elementen des Innenraumdesigns zählt dabei neben dem naturnahen Gestaltungs- und Farbkonzept auch die Versorgung mit Tageslicht sowie die Lichtführung in den Räumen.
„Ein Krankenhaus ganz ohne Krankenhaus-Flair und frei vom nur vermeintlichen Charme einer sterilen Pflege- und Versorgungsarchitektur“, so lautete die Zieldefinition bei der Errichtung der neuen Kinderpflegestation im Haus der Barmherzigkeit im 16. Wiener Gemeindebezirk. Angesichts der unzähligen Vorgaben, Richtlinien und rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf Hygiene und Isolationsmöglichkeiten, Ergonomie und Bewegungsfreiheit, die erforderliche technische Ausstattung, das Raumklima, die Beleuchtung usw. keine leichte Aufgabe für die Architektur- und Interieurplanung.
So müssen Krankenzimmer in Spitälern beispielsweise so gestaltet sein, dass das Pflegepersonal von beiden Längsseiten an das Bett herantreten kann. Zusätzlich müssen Wände und Böden möglichst fugenlos, leicht zu reinigen und unempfindlich gegenüber Desinfektionsmitteln sein, darüber hinaus sollten die Trennwände Schall absorbieren und neben einer ausreichenden Medienversorgung auch über Anschlüsse für Sauerstoff, Druckluft oder Vakuum verfügen. Eine gute Belüftung sowie eine entsprechende Klimatisierung zählen heute ebenso zum zeitgemäßen Standard bei der Gestaltung von Krankenzimmern wie die möglichst großzügige natürliche Belichtung, ergänzt mit hochwertiger, künstlicher Beleuchtung, die im Idealfall auch vom Bett aus schalt- und dimmbar ist und unterschiedliche Raumstimmungen unterstützt. Die Palette an Anforderungen ist schier nicht enden wollend. Â
Raumpsychologie als zentrale Planungskomponente
Abseits der technischen und versorgungsbedingten Rahmenbedingungen gibt es auch eine psychologische (Wohlfühl-)Komponente bei der Gestaltung von Kranken- und Pflegeeinrichtungen, die ebenfalls wesentlichen Einfluss auf die Genesung von Patienten nimmt. Früher oft sträflich vernachlässigt, gewinnen die psychologischen Aspekte in der Planung zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Spitäler und Krankenhausbetreiber haben den Wert der Architektur zur Unterstützung des Heilungsprozesses erkannt und setzen auf neue räumliche und gestalterische Konzepte. Healing Architecture – so der Fachbegriff – umfasst dabei die architektonische Gestaltung von Räumen, die positiv zum Heilungsprozess beiträgt. Dazu zählen Farben und naturnahe Materialien ebenso wie die großzügige Versorgung mit Tageslicht und der Ausblick ins Freie – im Idealfall in die Natur. So haben einschlägige Studien beispielsweise gezeigt, dass Patienten und Patientinnen, die Zugang zu natürlichem Licht und einen Blick in die Natur haben, weniger Schmerzmittel benötigen. Große Fensteröffnungen und Oberlichter sind daher wichtige Elemente einer die Heilung unterstützenden Raumgestaltung. Naturnahe Materialien wie Holz und natürliche, gedeckte Farben wiederum können deutlich zur Stressreduktion beitragen, wodurch Patienten und Patientinnen oft deutlich besser auf Behandlungen ansprechen. Auch Räume, die Rückzugsmöglichkeiten bieten, dienen diesem Zweck, da sie das Gefühl von Sicherheit und Komfort Âerhöhen. Ebenso wie beispielsweise in Form von Bildern, Skulpturen oder Wand-, Boden- und DeckengestaltunÂgen positive Emotionen hervorgerufen werden und damit der Behandlungserfolg verbessert werden kann.
Weitgehend normaler Lebensraum
Die neue Kinderpflegestation im Ottakringer Haus der Barmherzigkeit trägt den klangvollen Namen „Fridolina“ und bietet seit November 2023 eine in Wien einzigartige Leistung: Als Pflegedomizil erhalten Kinder und Jugendliche mit komplexen, lebensverkürzenden Erkrankungen und deren Familien die professionelle Betreuung, die sie brauchen. Bis dato gab es in Wien keine stationären Angebote, die eine auf diese Altersgruppe abgestimmte pflegerische und medizinische Betreuung in einer kindgerechten Umgebung bereitstellten. Fridolina schließt diese Lücke und kann sowohl ein vorübergehendes als auch ein längerfristiges Zuhause bieten sowie auch Hospizpflegeplätze anbieten. Oberstes Ziel des Pflege- und Betreuungsangebots ist es dabei, trotz hoch spezialisierter Pflege und Therapie einen weitgehend normalen Lebensraum fernab von Intensivstation und Krankenhausalltag zu schaffen – für die Kinder und Jugendlichen, aber ebenso für deren Eltern und Angehörige. Diese finden ebenfalls Unterstützung – in Form von Schulungen in pflegerischen Maßnahmen oder einfach nur durch eine zeitweilige Entlastung.
Kindgerechte Gestaltung
Für die Architektur und Innenraumgestaltung von Fridolina zeichnet das Wiener Architekturbüro KD•A ZT GmbH rund um Architekt Klaus Duda in Zusammenarbeit mit der Interieur-Designerin Jelena Dukic verantwortlich. Um Platz für das neue Pflegezentrum zu schaffen, wurden die im Erdgeschoß gelegenen, ehemaligen Verwaltungsräumlichkeiten übersiedelt und der gesamte Bereich grundlegend saniert und kindgerecht umgebaut.
Savanne, Steppe, Dschungel, Wüste – die einzelnen Raumgruppen tragen Namen nach den „Vegetationszonen der Erde“ – und haben schematische Tierbilder oder Landschaftspanoramen an den Wänden oder mittels Leuchtdioden erzeugte Sternbilder an der Decke. Das soll nicht nur die Orientierung erÂleichtern, sondern auch eine positive Atmosphäre schaffen.
Das von den Planern ersonnene Innenraumkonzept ist speziell an die Anforderungen der Kinderpflege angepasst. Im Unterschied zu herkömmlichen Standard-Krankenzimmern sind die Kinder-(Patienten-)Zimmer größer, um auch Eltern oder Betreuern bzw. Betreuerinnen Raum zu bieten. Dazu kommt der Platzbedarf für Bücher und Spielzeug oder andere Beschäftigungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Sozialtherapie oder der Besuch der Klinikclowns, um den Kindern die Zeit im Krankenhaus möglichst angenehm zu gestalten. Vor diesem Hintergrund bieten die neuen Räumlichkeiten auch verschiedene Aufenthaltsräume für Therapie, Freizeit und Schule. Zudem lädt eine großzügige Terrasse die Kinder und Jugendlichen zum „Chillen“ ein.  Â
Runde Sache
Der Wohnbereich von Fridolina ist auf einer Gesamtnutzfläche von 1 012 Quadratmetern in 14 Einzelzimmer unterteilt sowie entsprechende Untersuchungsräumlichkeiten sowie einen Pädagogikraum gegliedert. In allen Räumen vermitteln runde Designelemente mit verschiedenen haptischen Elementen an Türen, Wänden und Deckenbeleuchtungen ein durch und durch angenehmes Wohngefühl. Um mehr Tageslicht in die Räume zu bringen, wurden in die Trennwände zwischen den Schlaf- und Badezimmern Fenster integriert. So hat man trotz der vergleichsweise hohen Raumtiefe auch in den Sanitärräumen noch natürliches Tageslicht. Dem Designkonzept folgend plante das Architektenteam runde, bullaugenähnliche Fenster. Realisiert wurden diese mittels Window Planline Glasmodulen, die seit kurzem nicht nur rechteckig oder polygonal, sondern auch kreisrund verfügbar sind. Die Montage in der Wand erfolgte dabei flächenbündig ohne überstehende Abdeckleisten, sichtbare
Verschraubungen oder Befestigungsteile. Damit fügen sich die Fenster nicht nur nahtlos in die Wand und das Designkonzept, sondern erfüllen auch höchste Ansprüche an Sicherheit und sind zudem einfach zu reinigen. Der nahtlose Einbau des Trockenbaufensters ist in Größe und Design individuell gestaltbar und für Wanddicken von minimal 100 Millimeter bis zu 250 Millimeter verfügbar.
Einzig im Zugang bzw. im Eingangsbereich zum Fridolina-Trakt wurde zusätzlich zu den runden Fenstern ein raumhohes, rechteckiges Glasmodul verbaut. Der große Vorteil von Planline – gleichwohl ob rund oder eckig – ist die hohe Verwindungssteifigkeit des Rahmensystems, wodurch ein schneller und für die Ausführenden höchst komfortabler Einbau möglich ist.
Wenn der Zufall Regie führt
Trotz ausgeklügelter Planung und bester Bauvorbereitung kann es bei einem Projekt dieser Größe auch manchmal zu Hoppalas kommen. Im Fall Fridolina wurden zwei runde Planline-Fenster zu viel bestellt. Die Planer nutzten die Gelegenheit zur Anpassung des Raumdesigns und planten kurzerhand um. So finden die beiden „Bullaugen“ jetzt Platz im Aufenthaltsraum des Personals. Der große Vorteil: Jetzt können die Kinder und Jugendlichen ohne viel Aufwand auch von hier im Auge behalten werden.
Umbau unter erschwerten Bedingungen
Der gesamte Umbau des ehemaligen Verwaltungstraktes stellte nicht nur die Planer, sondern auch die Baustellenlogistik und vor allem alle ausführenden Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Denn mit nicht einmal einem Jahr war einerseits die Bauzeit sehr knapp bemessen und auf der Âanderen Seite herrschte im Rest des Krankenhauses über die gesamte Bauphase hinweg weiterhin Vollbetrieb.
ZITAT:
„Im Wohnbereich von Fridolina soll trotz hochspezialisierter Versorgung rund um die Uhr nichts an eine typische Krankenhausatmosphäre erinnern!“
Andrea Wolf, projektleitende Architektin KD•A Zt GmbH
FAKTEN:
Kinderpflegedomizil Fridolina
Seeböckgasse 30a, 1160 Wien | Österreich
Bauherr: Haus der Barmherzigkeit, Wien
Projektleitung: Melanie Wagner-Elmorshidy MSc
Architektur: KD•A ZT GmbH – Architekt Klaus Duda, Wien
Projektleitung: Architektin Andrea Wolf Â
Interior Design: DI Jelena Dukic Â
Pflegeangebot: 14 Langzeitplätze und Kurzzeit- sowie Hospizpflegeplätze
Nutzfläche: 1 012 m²
Planung: 2022
Baubeginn: Frühjahr 2023
Fertigstellung: Dezember 2023
Rundgang durch die neue Kinderpflegestation „Fridolina“ im Haus der Barmherzigkeit in Wien-Ottakring:
https://youtu.be/Lfbz-Gu1LDI