Eine runde Sache
Das Projekt zeigt auch, wie die Kreislaufwirtschaft und der niedrige Kohlenstoffgehalt im Bau mit hoher Qualität gesteigert werden können.
Von Barbara Jahn
 Alles begann mit einem laut ausgesprochenen Wunsch, der alles verändern sollte: Die beiden Café-Betreiber Jukka Turunen und Timo Ranta aus Lohja hatten bereits die ganze Welt bereist und waren mit vielen Ideen aus Südamerika, Australien und ganz Europa wieder zurückgekehrt. Die Idee, sich ein Haus nach eigenen Vorstellungen zu bauen, war in dieser Zeit herangereift. Vielleicht sogar ein rundes. „Da haben wir uns zum ersten Mal gefragt, warum das Wohnhaus nicht rund sein kann", berichtet Jukka Turunen. „Wir dachten zunächst an ein rundes Haus in Blockbauweise, aber wir bekamen keine Antwort von den Bauunternehmen, also blieb es dabei. Die Idee, ein neues Haus zu bauen, lebte weiter – auch wenn im Freundeskreis die Aufgabe des jetzigen Hauses Verwunderung auslöste. Das stimmungsvolle Haus hat einige reizvolle Details.“ Sein Partner Timo Ranta ergänzt: „Tatsache ist aber, dass man nichts Neues gewinnen kann, wenn man nicht auf wichtige Dinge verzichten kann.“
So kam es, dass die beiden Stammgäste des Cafés Lauri Leena Lundell, Geschäftsführerin von Aulis Lundell Oy, und der Architekt Matti Kuittinen mit den beiden über die Wohnmesse in Lohja zu sprechen kamen und den Vorschlag, das neue Traumhaus auf dem Gelände der Messe zu errichten. Dieser Vorschlag wurde natürlich erst abgelehnt. Doch die Idee reifte weiter und eines der Grundstücke in dem Gebiet brachte die Gedanken ins Laufen. Schließlich wurde Matti Kuittinen mit dem Entwurf betraut. 2021 wurde das Haus fertiggestellt und ist der Beweis dafür, dass jeder durch sein Handeln zur Schaffung von Rohstoffen beitragen kann, die ausgetauscht werden können. Aulis Lundell Oy stellte den Stahlbedarf für die Realisierung des Hauses: ein nestartiges Zuhause, mitten im Geschehen und doch in der eigenen Ruhe. Die Fenster des Rundhauses lassen sich vor allem von innen öffnen und die Glasterrasse im Hof zum Beispiel bietet den Bewohnern absolute Ruhe. Im Inneren des Rundhauses gibt es viel Freiraum statt geschlossener Räume.
Ökologisch auf ganzer Linie
Von Aulis Lundell Oy, dem Pionier im finnischen Stahlbau seit 40 Jahren, in Stahlrahmenbauweise errichtet, ist das Pyörre-Haus ein Vorreiter für ökologische Lösungen. Dafür wurden große Anstrengungen unternommen, um den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Die beiden Bauherren wagten es, über ihr Haus auf lange Sicht nachzudenken, und zwar bis zum Ende ihres eigenen Lebenszyklus und darüber hinaus. Wenn die Zeit des Hauses aus Stahl abläuft, so ist sein Baumaterial immer wieder verfügbar. „Es ist ein beindruckender Öko-Gedanke, dass das Haus aus recycelbarem Stahl für immer besteht“, sagt Timo Ranta. „Der Rahmen unseres Hauses besteht aus vier clever recycelten ÂAutoabfällen, und der Dämmstoff zum Beispiel ist aus recyceltem Glas.“ Durch die Konstruktion auf Stahlbeinen musste kein Boden zerstört werden, bei der Energieerzeugung werden Luft-Wasser-Wärmepumpen und Sonnenkollektoren eingesetzt. „Unser Haus ist verantwortungsvoll und rückverfolgbar gebaut, und es gibt dafür ein ebenso präzises ÂEtikett wie für eine Packung gutes Brot“, ist Jukka Turunen stolz.
Haus Pyörre nimmt am Pilotprojekt des Umweltministeriums für kohlenstoffarmes Bauen teil, bei dem für verschiedene Gebäudetypen eine geeignete Methode zur Bewertung des Kohlenstoff-Fußabdrucks und des Kohlenstoff-Handabdrucks entwickelt wird. Matti Kuittinen hat dafür eine Methode zur Berechnung des Kohlenstoff-Fußabdrucks von Gebäuden entwickelt. Darüber hinaus wird das Design des Gebäudes als erstes finnisches Gebäude in Hinblick auf die EU-Designkriterien für Anpassungsfähigkeit, Demontierbarkeit und Recyclingfähigkeit getestet. Außerdem wird eine Materialbilanz für das Haus erstellt, aus der der Anteil an recycelten und nachwachsenden Rohstoffen sowie die Recyclingmöglichkeiten der verschiedenen Materialien am Ende des Lebenszyklus hervorgehen, falls man sich einmal für den Abriss des Hauses entscheidet. In dem Haus wurden auch zahlreiche neue Innovationen eingesetzt, die eine kohlenstoffarme Bauweise ermöglichen. Mit Hilfe von Pflanzen, Biokunststoffen und recyceltem Beton wurde der Anteil an Kohlenstoff drastisch reduziert.
Weit vorausgedacht
Das Gebäude ist eine These darüber, wie viel des Gebäudes aus recycelten Rohstoffen gebaut werden kann. Jedes Jahr wird die Hälfte der Rohstoffe der Erde für Bauten verwendet, daher sind Materialauswahl und Produktvergleich beim heutigen Bauen besonders wichtig. Es wurden auch Anstrengungen unternommen, um herauszufinden, wo die Materialien am Ende ihres Lebenszyklus landen. „Jedes Jahr wird die Hälfte der Rohstoffe der Erde für den Bau verbraucht, daher müssen wir schnell zur Kreislaufwirtschaft übergehen. Es scheint, dass das Recycling von Stahl und anderen Teilen ziemlich große Vorteile für das Klima mit sich bringen wird. Es liegt in der Verantwortung des Designers, über die Lebensdauer des Gebäudes hinaus zu denken, bis hin zum Abriss“, betont Architekt Matti Kuittinen. So war es das erklärte Ziel des Pyörre-Hauses, den Anteil an recycelten, wiederverwertbaren und erneuerbaren Materialien zu maximieren. Sämtliche Baumaterialien und ihre Auswirkungen auf das Klima wurden berechnet. So sind 15 Prozent der eingesetzten Ressourcen erneuerbar, 22 Prozent werden recycelt und 82 Prozent können als Material oder Energie zurückgewonnen werden.
Eine wesentliche Komponente – sowohl beim architektonischen als auch beim ökologischen Konzept – ist der Einsatz von Stahl. „Stahl ist als Material am besten für solche Âorganischen Formen geeignet. Er lässt sich biegen und erfüllt alle Anforderungen an Komfort, Haltbarkeit und Umweltfreundlichkeit während des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. Dank seiner Festigkeit ist Stahl leichter als andere Materialien und fast zu 100 Prozent recycelbar. Auch seine Schallschutz- und Brandschutzeigenschaften sind hervorragend“, ist Leena Lundell, CEO von Aulis Lundell Oy, überzeugt. Zudem ist Stahl flexibel bei der Umgestaltung von Gebäuden und Strukturen, einfach zu demontieren, sortenrein zu trennen und deshalb einfach wiederzuverwerten. Vor dem Hintergrund, dass sich das Klima erwärmt und die Ressourcen der Erde von Jahr zu Jahr knapper werden, sollte das Potenzial wiederverwertbarer Materialien dringend auch im Bauwesen unter die Lupe genommen werden.         Â
Zitat:
„Selbst kleine Maßnahmen machen einen großen ÂUnterschied, und nur Ârecycelte Rohstoffe können wiederverwendet werden.“
Verwendete Produkte:
- Beton von Weber: Für eine große Bandbreite von Betonarbeiten, in wetterfeste Behälter aus recyceltem Kunststoff verpackt; beim Herstellungsverfahren werden prozessinterne Abläufe genutzt und die Menge des verwendeten Zements und Natursandes reduziert.
- Isolierungen von Isover: aus recyceltem Glas; enthalten keine schädlichen Chemikalien und isolieren auch wirksam gegen Schall.
- Trennwandstrukturen von Gyropoc: enthalten 20 Prozent recycelten Gips und sind nachweislich die kohlenstoffärmsten auf dem Markt.
FAKTEN:
PYÖRRE HOUSE, Lohja, Finnland
Haustyp: Freistehendes Haus
Bauherr: Aulis Lundell Oy
Architekt: Matti Kuittinen
Tragwerksplaner: Sami Huttunen
Rahmenmaterial: Stahl
E-Zahl: 78
Energieeffizienzklasse: A
Fertigstellung: 2021