Auf neuen Wegen in die Zukunft
Der Serologe Karl Landsteiner machte bei seinen Forschungen eine bahnbrechende Entdeckung, für die er 1930 den Nobelpreis für Medizin erhielt: Der österreichische Wissenschaftler hatte zuvor die Blutgruppen entschlüsselt und damit einen wichtigen Baustein für die Humanmedizin geliefert. Was liegt da näher, als eine neu geplante Universität nach ihm zu benennen, noch dazu eine, die ihrerseits ebenfalls völlig neue Maßstäbe setzt. Die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems – kurz KLPU – macht ihrem NamensÂpatron alle Ehre. Auch in architektonischer Hinsicht.
Von Barbara Jahn
Der Realisierung der Universität, an der sich heute rund 600 Studierende ein umfassendes Wissen in Health Sciences, Humanmedizin, Psychotherapie- und Beratungswissenschaften sowie Neurorehabilitationswissenschaften aneignen, war 2013 ein Wettbewerb mit insgesamt 13 Teilnehmern vorausgegangen, den das renommierte österreichische Architekturbüro DMAA Delugan Meissl Associated Architects für sich entscheiden konnte. Nach dem Baubeginn 2015 konnte der neue, Identität stiftende Gebäudekomplex bereits 2017 eröffnet werden.
Teil eines Ganzen
Geplant als maßgeblicher Teil eines zukünftigen Gesamtensembles – die Erweiterungen sind bereits in die Wege geleitet – erfüllt der als Büro- und Seminargebäude konzipierte Komplex von Anfang an eine Doppelfunktion. Ablesbar wird das nicht nur durch zwei eigene Eingänge, sondern auch in der Sprache des äußeren Erscheinungsbildes: Die Kubatur gliedert sich in zwei dreigeschoßige Baukörper, wobei die räumliche Anordnung und die inhaltliche Zuordnung der einzelnen Funktionen jeweils klar gegliedert wird. Durch die identische Anzahl der Geschoße und Wahl der Fassade entstehen keinerlei Hierarchien, im Gegenteil: Die beiden Trakte werden durch eine zweigeschoßige Brücke miteinander verbunden, die aus den architektonischen „Geschwistern“ wieder eine harmonische Einheit macht. Das in eine Hülle aus Aluminium verpackte ÂEnsemble, dessen Äußeres durch geschoßhohe Fensteröffnungen mit unterschiedlichen Formaten und Breiten durchbrochen ist, schmiegt sich so perfekt an seine städtebauliche und auch landschaftliche Nachbarschaft.
Maßstab Mensch
Im Inneren fokussiert die Architektur ganz auf die Studierenden. Helle Großzügigkeit dominiert die Räume und Säle, die von der lebendigen Unregelmäßigkeit der Öffnungen nach außen profitieren. Schon die verglaste Eingangshalle signalisiert Offenheit und Transparenz: Das zweigeschoßige Foyer beeindruckt mit doppelter Raumhöhe und gilt als zentrale Verkehrs- und Kommunikationsdrehscheibe. Die einladenden Treffpunkte und Verweilzonen lassen – auch durch die Âgeschickt positionierÂten Lichthöfe – viel Tageslicht ins Gebäude und beÂginÂnen mit den gestalteten Außenbereichen mit solitär gesetzten Bäumen, die in geschliffene Ortbetonsockel eingefasst und von Sitzgelegenheiten aus Holz begleitet werden, sowie ruhigen, ausgleichenden Grasfeldern gleichsam einen visuell anregenden Dialog. Das torartige Erscheinungsbild unterhalb der Verbindungsbrücke zwischen den beiden Baukörpern vermittelt Durchlässigkeit und bietet der studentischen Betriebsamkeit viel Raum, auch als geschützter Bereich im Freien.
Raum im FlussÂ
Der scharfe Beobachter entdeckt dennoch einen markanten Unterschied: Der südseitige Trakt hat ein Geschoß weniger. Hier befinden sich unter anderem auch der Festsaal und die Hör-säle, die durch die Raumhöhe und Größe für eine große Personenzahl konzipiert wurden. Im gegenüberliegenden Trakt sind sämtliche Büro- und Administrationsräume untergebracht sowie kleinere Seminarräume. Obwohl ganz bewusst ein gewisser Raumfluss bedeutend zum Design beiträgt, so sind die einzelnen Bereiche dennoch klar definiert und voneinander entkoppelt.
Während sich die Fassade aus Alu-Sandwich-Paneelen in einem gedeckten, graubraunen Farbton präsentiert, entfaltet sich das Innere des Gebäudes in strahlendem Weiß, kombiniert mit verschiedenen Grautönen und Holzelementen an Wänden und Decken. Ein Großteil der Böden sind in Cremeweiß gehalten, klar definiert mit deutlich sichtbaren Fugen als Gestaltungsmittel. Sie bilden einen nuancierten Übergang zu den weiß verputzten Wänden der Treppenhäuser.
Visionäres Konzept
Seit Ende letzten Jahres müssen Wohn- und Nichtwohngebäude gemäß den neuen EU-Gebäuderichtlinien umgesetzt werden. Eine große Herausforderung für die Architekten und ihre Projektpartner, die die Privatuniversität gemeinsam in weiser Voraussicht schon im Vorfeld unter vielen Gesichtspunkten zukunftsfit geplant haben. Um den heute vorgeschriebenen Niedrigstenergiestatus zu erreichen, wurde auf thermische Bauteilaktivierung gesetzt. Dabei sorgen wasserführende Rohre in den Decken für ausgeglichene, angenehme Temperaturverhältnisse in den Räumen und lassen so auf energie-intensive Kühlung und Heizung verzichten.
Zum Kühlen fließt im Sommer kaltes Wasser durch das Rohrsystem, in der kalten Jahreszeit lässt sich die Grundlast des Heizwärmebedarfs decken, indem warmes Wasser die Rohrregister durchströmt. Zusätzlich werden energieeffiziente Wärmepumpen und Kältemaschinen eingesetzt, kombiniert mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die die Zuluft entfeuchtet, Energieverluste reduziert und Tauwasserbildung vermeidet. Auch einige der Laborräume sind mit der unterhalb der Bewehrung der Betondecke liegenden Bauteilaktivierung ausgerüstet. Schließlich sorgt eine hauseigene Photovoltaikanlage auf dem Dach für die erforderliche Stromgewinnung für ein klimafreundliches Erwärmen des Wassers.
Die Zukunft im Blick
Was heute Pflicht ist, war hier schon von Beginn an Teil des Plans: Als signifikanter Teil eines ganzen Universitätskomplexes wird die Karl Landsteiner Privatuniversität schon in ihrem Kerngebäude zur Schlüsselarchitektur einer neuen Generation.
Nicht nur das zu zeigen, was sein könnte, sondern zu beweisen, wie wichtig es ist, rasch die Initiative zu ergreifen und Chancen zu nützen – das zeichnet dieses Projekt in seiner Vorbildfunktion aus. Und dieses Engagement wurde auch belohnt: klima:aktiv bewertete die KLPU nach den Kategorien Planung und Ausführung, Energie und VerÂsorgung, Baustoffe und Konstruktion sowie Komfort und Raumluftqualität mit 988 von 1.000 möglichen Punkten und damit mit dem Prädikat Gold, ebenso wie die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), die das Gebäude mit dem Gütesiegel Gold und damit mit der höchsten Qualitätsstufe zertifiziert hat.              Â
Zitat:
„Gerade das Universitätsgebäude übernimmt als zentraler Schauplatz der neuen Generation eine Vorbildfunktion hinsichtlich Architektur und Nachhaltigkeit. Es repräsentiert den Stand der Technik und zeigt, wie Zukunft schon heute seitens des Landes Niederösterreich realisierbar ist.“
Karl Dorninger, Gebäudeverwaltung beim Amt der NÖ Landesregierung
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FAKTEN:
Karl Landsteiner Privatuniversität Krems,
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems a. d. Donau Â
Bauherr: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Â
Architektur: DMAA – delugan meissl associated architects Wettbewerb 1. Preis
Generalplanung: ARGE_DMAA/Vasko + Partner               Â
Bruttogeschoßfläche: 8.980 m², davon 1.807 m² bebaut
Nutzfläche: 4.500 m² auf fünf Geschoßen
Höhe: 23 Meter
Freiraumplanung:Â Rajek Barosch Landschaftsarchitektur
Örtliche Bauaufsicht: Pfaffenbichler ZT GmbH Tragwerksplanung, thermische Bauphysik, Gebäudetechnik: Vasko + Partner
Bauzeit: 2015–2016
Auszeichnung:Â klima:aktiv Gold (988 von 1.000 Punkten)