Von Edeltropfen und Augenschmäusen
Die neue Macallan Distillery in beschaulicher hügeliger Landschaft im schottischen Speyside, wo seit 1824 der berühmte Single Malt Whisky destilliert wird, öffnet sich seinen interessierten Besuchern und gewährt tiefe Einblicke in die Geschichte und Produktion einer Marke von Weltrang.
Von Barbara Jahn
„Schon bei der Ankunft am Standort windet und schlängelt sich die Reise des Besuchers über eine serpentinenförmige Zufahrt, die den Blick auf die Gerste und den dahinter liegenden Fluss Spey freigibt“, schwärmt Projektarchitekt Toby Jeavons von Rogers Stirk Harbour + Partners von den satten Gerstefeldern und den EichenÂwäldern, ohne die es den Macallan wahrscheinlich so heute gar nicht gäbe. Je näher man sich dem Gutsgelände nähert, desto höher und tiefer ragen die grasbewachsenen Kuppeln vom Gelände des Anwesens auf und ab und signalisieren auf subtile Weise das, was darunter untergebracht ist. Es ist fast unglaublich, was hier im großen Stil realisiert wurde: Idyllisch am Ufer des Spey gelegen, war The Macallan eine der ersten legalen Brennereien in Schottland. Seit 1824 wird hier Whisky gebrannt. Damit begonnen hatte Alexander Reid, der die erste Brennlizenz erwarb und später seinem Sohn weitervererbte. Die Brennerei wechselte im Laufe der Jahrzehnte mehrmals den Besitzer, bis sie schließlich Roderick Kemp 1882 kaufte und sie in den folgenden 100 Jahren ständig erweitert wurde. Innerhalb von zehn Jahren wurde die Anzahl der Brennblasen auf das Dreieinhalbfache erhöht. Seit 1999 befindet sich die Distillery im Besitz der Edrington Group, die schließlich den Neubau bei Rogers Stirk Harbour + Partners in Auftrag gab. Und dafür wurde eine Menge Geld ausgegeben, das allerdings perfekt in die Zukunft investiert wurde: Der Verkauf des Rolls Royce aller Whiskys wirft auch genug ab, da kann man schon mal gut und gerne 140 Millionen Pfund – oder 220 Millionen Euro – ausgeben.Â
Genuss im wahrsten Sinne
Wenn man weiter in die Baugeschichte eintaucht, wird klar, warum. Erst einmal musste die Landschaft richtig umgebaut werden. Dafür wurde gleich ein ganzer Hang abgetragen. Klingt aufs Erste vielleicht größenwahnsinnig, jedoch gab es dafür einen guten Grund. Speyside gilt als Gebiet von großem landschaftlichen Wert. Um diesen bei einem Projekt dieses Ausmaßes auch weiterhin zu erhalten, war eine der größten Herausforderungen, möglichst sensibel mit dieser Landschaft umzugehen. So beschloss man, das neue Gebäude mit der Natur so zu verknüpfen, dass man nur wenige Teile der Architektur als solche wahrnimmt. Die mit schottischen Wildblumen bedeckten Buckeldächer erscheinen als eine natürliche Erweiterung der Landschaft, die sich einfach über die Architektur darüberlegt. Drinnen offenbart sich dem Besucher eine veritable Erlebniswelt. Unter den ersten vier Kuppeln stehen die Kupferkessel, in denen der Whisky gebrannt wird. Diese Kuppeln beginnen bei drei Metern Traufhöhe, sind an der Spitze 18 Meter hoch und überdachen die drei Stillhäuser und das Maischehaus. Unter der deutlich größeren fünften Kuppel mit 27 Metern Höhe befindet sich das neue Besucherzentrum der Macallan-Destillerie. Hier versteht man es brillant, Spannung aufzubauen, denn man betritt das neue Gebäude über eine Verbindung unter der Erde und landet in einer Art Kathedrale. Im Ausstellungs- und Galeriebereich gibt es eine kleine Einführung, bevor man im Weiteren die einzelnen Phasen des Produktionsprozesses kennenlernt und der Produktionsgeschichte des Whiskys folgt. Natürliche Materialien wie einheimischer Stein, Holz oder auch das lebende Wiesendach und die damit verbundene Landschaftsgestaltung wurden verwendet, um sowohl die Umgebung und die Zutaten der Whiskyproduktion zu evozieren als auch dem Besucher eine stimmungsvolle Reise zu bieten. „Da die Marke Macallan weltweit gewachsen ist, war es sehr wichtig sicherzustellen, dass wir die Nachfrage nach dieser wunderbaren bernsteinfarbenen Flüssigkeit aufrechterhalten können", meint der Kreativdirektor des Macallan Ken Grier dazu, und freut sich darüber, dass Macallan seine Produktion um bis zu einem Drittel steigern konnte. „Wir haben außerordentlich sorgfältig darauf geachtet, dass der alkoholische Geist, der in der neuen Brennerei hergestellt wird, von demselben Geist inspiriert wird, der auch in der früheren Brennerei zugegen war. Dies ist der Beginn eines wirklich aufregenden neuen Kapitels in der Entwicklung dieser wunderbaren Marke, die der Macallan ist.“ Dank des architektonischen modularen Ansatzes sollten künftige Erweiterungen der Einrichtungen relativ unkompliziert sein.
Ein Stück Österreich
Mit an Bord dieses spektakulären Projektes waren auch österreichische Firmen, die ihre Kompetenz und ihre Produkte in das Bauvorhaben einbringen konnten. Zum einen errichtete das oberösterreichische Unternehmen Wiehag die Dachkonstruktion auf einer Gesamtlänge von 207 Metern. Mit dem professionellen Know-how in Sachen Holzbau und Logistik entstand eine Holztragkonstruktion aus 1.800 einfach gekrümmten und auf der Oberseite segmentierten, abgegrateten Trägern, die mit zweiseitig beplankten Dünnschicht-Furnierholzplatten beplankt sind. Das Dach wurde aus Kastenelementen zusammengebaut. Insgesamt wurden 380.000 Einzelteile von Österreich nach Schottland transportiert und die gesamte Dachfläche mit einer Wildblumenwiese begrünt, wodurch die riesige Anlage mit der Umgebung verschmilzt. Ebenfalls aus Oberösterreich kommen die Multifunktionsgläser mit einer Gesamtfläche von 1.300 m2. Beim Glasveredelungsexperten Eckelt wurden rund 960 m2 übergroße Isolierglaselemente mit Verbundsicherheitsglaskombination VSG und COOL-LITE SKN 165 II Sonnenschutzbeschichtung für die Glasfassade hergestellt. Die VSG-Kombination sorgt zum einen für die erhöhte Sicherheit und Stabilität der Konstruktion, während zusätzlich die im VSG enthaltene PvB-Folie als UV-Schutz wirkt und somit auch die ausgestellten Whisky-Flaschen im Inneren des Gebäudes schützt, indem diese UV-Strahlen absorbiert. Der farbneutrale Charakter der hochtransparenten COOL-LITE SKN-Basisgläser von Saint-Gobain Glass erzielt besonders natürliche Lichtwirkungen – sowohl im Innenraum als auch in der Außenansicht. Die perfekt aufeinander abgestimmte Kombination aus gutem Sonnenschutz, hoher Lichtdurchlässigkeit und exzellentem Wärmeschutz gewährleistet zu jeder Jahreszeit uneingeschränktes Wohlbefinden im Raum. Für das geschwungene Dach wurden für 280 Quadratmeter Glasdachelemente in Sonderform mit schrägen Kanten angefertigt.Â
Lieb und teuer
Der kostspieligste Whisky der Welt ist manchen Leuten einfach mehr wert. So wurde ein 60 Jahre alter „Macallan Valerio Adami 1926“ bei einer Auktion in Edinburgh für 947.000 Euro versteigert. Eine Flasche des ebenfalls 60 Jahre alten „Macallan 1926 Single Malt“ war einem Bieter 2019 sogar 1,74 Millionen Euro wert. Da kommt James Bond, dessen Lieblingsgetränk ein 50 Jahre alter Macallan ist, etwas günstiger weg, wenngleich er den Edel-Whisky mehr als schätzt. Geschüttelt, praktisch aus dem Ärmel, gerührt über das gebaute Resultat: Es bleibt einem beim Anblick dieser Opulenz die Sprache weg. Da hilft nur ein Schluck Whisky gegen die trockene Kehle, von dem wohl viele an der Wiege des berühmten Single Malt Gebrauch machen werden. Na dann: Cheers!   Â
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Zitate:
„Das Anwesen in Macallan ist wirklich ein besonderer Ort – ein Ort, den wir sehr lieben und respektieren gelernt haben."
Graham Stirk, Seniorpartner und leitender Architekt        Â
 „Das Gebäude stellt einen neuen Aspekt in unserem architektonischen Vokabular dar, und das ganze Team wurde durch die GesamtÂerfahrung intellektuell bereichert.“ Graham Stirk, Seniorpartner und leitender Architekt
„Die perfekt aufeinander abgestimmte Kombination aus gutem Sonnenschutz, hoher Lichtdurchlässigkeit und exzellentem Wärmeschutz gewährleistet zu jeder Jahreszeit uneingeschränktes Wohlbefinden im Raum.“ Graham Stirk, Seniorpartner und leitender Architekt
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FAKTEN:
The Macallan Distillery
Easter Elchies, Aberlour AB38 9RX, Craigellachie,
Banffshire, Schottland / Großbritannien
Bauherr: Edrington Group
Architektur: RSHP Rogers Stirk Harbour + Partners        Â
Generalunternehmer:Â Robertsons Construction Group
Landschaftsplaner:Â Gillespies
Ingenieursarbeiten: Arup  Â
Lichtplanung:Â Speirs + Major
Dachkonstruktion:Â Wiehag
Glasprodukte:Â Saint-Gobain / Eckelt
Baubeginn: 2012
Fertigstellung: 2018
Grundfläche: 14.800 Quadratmeter
Dachfläche: 12.300 Quadratmeter
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