Living in a Box

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  • Holzbaumodule
    Holzbaumodule
    Die einzelnen Holzbaumodule sitzen auf einem auskragenden Stahlbetontisch, der gemeinsam mit den in Massivbauweise errichteten Treppenhäusern die Tragfunktion übernimmt und zusätzlich aussteifend wirkt. © Kaufmann Holz
  • Fassade aus Lärchenholz
    Fassade aus Lärchenholz
    Holz ist nicht nur der Baustoff für die einzelnen Raummodule, auch die Fassade präsentiert sich in Lärchenholz.© Kaufmann Holz
  • Studentenappartements
    Studentenappartements
    Die einzelnen Studentenappartements verfügen über eine Grundfläche von knapp 20 Quadratmetern, sind mit Miniküche und Sanitärbereich ausgestattet und voll möbliert. © Fotos: PRIMUS developments GmbH/Senectus GmbH Photo Götz Wrage. Foto Nora: www.fotodesignandreasbraun.de

Rund 20 Quadratmeter Nutzfläche umfasst jede einzelne Wohnbox des Studentenwohnheims im Universal Design Quartier im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. 20 möblierte Quadratmeter mit Miniküche, Bad und Toilette, Ess- und Schlafplatz sowie eigenem Arbeitsbereich – von der Konstruktion bis zu den Möbeln ist nahezu alles aus heimischen Hölzern. Daher rührt auch der Spitzname „Woodie“. Die vorgefertigten Raummodule wurden in Österreich produziert und fixfertig mittels Sattelschlepper nach Hamburg transportiert.

Mit seinen fünf bis sechs Geschoßen in Vollholz auf einem massiven Stahlbetonsockel ist Woodie aktuell das größte Holz-Modul-Haus der Welt. Für Hamburg, das bislang dem Holzbau sehr reserviert gegenüberstand, ist es das größte Gebäude in Holzbauweise, das bislang realisiert werden konnte. Möglich wurde die Errichtung des außergewöhnlichen Wohnbauprojektes mit Wänden und Decken ausschließlich in Holz erst über eine Ausnahmegenehmigung, denn ansonsten wäre Woodie an den baurechtlichen Richtlinien der Stadt Hamburg gescheitert.

In guter Gesellschaft

Woodie wurde in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gelände der internationalen Bauausstellung 2013 errichtet und befindet sich damit in guter Gesellschaft mit einigen anderen innovativen Holzbauten. Auch diese wurden vom Projektentwickler Thorsten Rieckmann realisiert, der im Zuge und auf dem Gelände der Bauausstellung mit seinem Unternehmen Senectus GmbH bereits ein Pflegeheim und ein Ärztehaus errichtet hat. „Man kann in der Tat sagen, dass sich Hamburg bzw. der Norden Deutschlands mit diesem Projekt wieder in die Championsleague des internationalen Holzbaus gebracht hat“, ist auch Projektpartner Achim Nagel von der Primus Developement GmbH überzeugt.

Leben auf der Insel

Der Stadtteil Wilhelmsburg liegt auf der mit 35 Quadratkilometern größten Flussinsel Europas. Die Insel in der Elbe gehört zum Bezirk Hamburg-Mitte und ist mit der Schnellbahn nur acht Minuten vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt. An der Südspitze der Insel liegt das Naturschutzreservat „Heuckenlock“ mit den letzten Auwäldern der Region, es wird auch heute noch regelmäßig von der Elbe überflutet.

Mit dem Aufstieg Hamburgs zu einem der wichtigsten europäischen Binnenhäfen wurde Wilhelmsburg das Quartier der Hafenarbeiter, zu denen sich später auch Gastarbeiter und Migranten gesellten. Nach der Jahrtausendwende ist das lange Zeit wenig beachtete Wilhelmsburg zu neuem Leben erwacht. Die ehemaligen Arbeiterviertel Ottensen, Sternschanze oder St. Pauli sind heute vor allem von Künstlern und Studenten geschätzte Wohngebiete. Der multikulturelle Charme – in Wilhelmsburg leben Menschen aus rund 80 verschiedenen Nationen –, die Bauausstellung 2013 sowie die internationale Gartenschau machten den Stadtteil endgültig zu einem begehrten Wohnviertel auch für Familien.   

Lego für Große

Wie überdimensionale Legobausteine wurde das Gebäude Raum(modul) für Raum(modul) zusammengebaut. Jedes Modul für sich wiegt knapp neun Tonnen. Insgesamt 371 dieser fertigen Einheiten wurden für den Bau des Studentenwohnheims per Sattelschlepper auf die Baustelle gebracht und auf- bzw. nebeneinander gestapelt. Jedes einzelne Modul verfügt über Außenmaße von 6,8 mal 3,3 Metern, ist innen knapp 20 Quadratmeter groß und fixfertig vorinstalliert – inklusive aller Sanitär- und Elektroinstallationen für die integrierte Küche sowie Bad und Toilette. Ebenfalls im Gesamtpaket Studentenwohnung enthalten ist die Möblierung, so dass die künftigen Nutzer und Nutzerinnen lediglich mit Matratze, Koffer und Laptop ihre neuen Unterkünfte in Besitz nehmen können. Täglich konnten bis zu zehn Module montiert werden, vor Ort waren nur noch geringe Modifikationen erforderlich, wie zum Beispiel das Zusammenschließen der Elektro-, Versorgungs- und Entsorgungsleitungen.

Holzbau auf stabilem Sockel

Die tragfähige Basis für die bis zu sechs Geschoße hoch aufeinander gestapelten Raumzellen bildet ein Stahlbetontisch, der gemeinsam mit den drei Treppenhäusern als massive Stahlbetonkerne die Tragstruktur bildet und als Aussteifung dient. Die großzügig verglaste Sockelzone mit Gemeinschaftsräumen und Gastronomie sowie überdachten Abstellmöglichkeiten für rund 400 Fahrräder verleiht dem Erdgeschoß einen sehr schlanken und luftigen Charakter. Die Holzboxen darüber zeigen auch, was in ihnen steckt. Mit ihrem kreuzweise verlegten Holzrelief erzeugt die ebenfalls vorgefertigte und vor Ort nur noch an die Fassade ­montierte Hülle aus Lärchenholz ein sehr lebendiges Äußeres. 

Besser Planen – schneller bauen

Für die Planung des „hölzernen“ Studentenwohnheims zeichnet das renommierte Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton verantwortlich, dass in unmittelbarer Nachbarschaft auch das in Wilhelmsburg ansässige Bürogebäude für die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen plante. Mit seinem kammartigen Grundriss gliedert sich das über 100 Meter lange Gebäude in seine Umgebung – mit einer stark frequentierten Fahrrad- und Fußwegeverbindung – ein.

Ende 2016 starteten die Bau- bzw. Montagearbeiten. Nach extrem kurzer Bauzeit von lediglich elf Monaten erfolgte im Herbst 2017 – rechtzeitig zu Beginn des Wintersemesters – die Fertigstellung. Die Baukosten beliefen sich auf rund 37 Millionen Euro. Damit wäre das Studentenwohnheim rund zehn Prozent teurer in der Errichtung als in konventioneller Massivbauweise – aber dafür sollen der hohe Vorfertigungsgrad und die standardisierte Herstellung der Raummodule, witterungsunabhängig in der Werkshalle, Baumängel weitestgehend ausschließen. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern Architekten wie Bauherren auch Nerven. „Die Holzmodulbauweise ist schneller und verfügt über eine deutlich höhere Qualität. Die Ersparnis ist knapp eine Halbierung der Bauzeit“ – so sieht Achim Nagel das.

Know-how aus Vorarlberg

Bei der Herstellung der 371 Raummodule setzten Sauerbruch Hutton auf Holzbau-Know-how aus dem Nachbarland Österreich. Der Vorarlberger Bausysteme-Spezialist Kaufmann wurde mit der Produktion beauftragt und entwickelte und optimierte gemeinsam mit den Architekten in einer knapp zweimonatigen Planungsphase die Aus-führungs- und Detailpläne.

„Wir verstehen unsere Raummodule als eine neue Maßeinheit für Bauzeit, Qualität, Umweltbewusstsein und Kosten. In dieser Einheit regelt das eine das andere“, heißt es vonseiten des Herstellers. Produziert wurden die einzelnen Holzboxen schließlich in der Fertigungshalle im steirischen Kallwang. Wie in der Autoindustrie werden die Holzboxen dort auf einer automatisierten Förderanlage in insgesamt 17 Stationen Stück für Stück zusammengebaut. Bis zu vier Module täglich können in der Werkshalle vom Band laufen. Bei rund 80 Prozent liegt dabei der Anteil der Arbeiten, die auf diese Weise unabhängig von Wind und Wetter und unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards in der Werkshalle erbracht werden können. Knapp 20 Prozent passieren im Zuge des Aufbaus und des Anschlusses von Elektro- und Sanitärleitungen vor Ort auf der Baustelle.  

Ökologisch vom Boden bis zur Decke

Boden, Wand und Decke der einzelnen Wohnmodule bestehen aus dem natürlichen und nachwachsenden Rohstoff Holz – ebenso wie der überwiegende Teil der Möblierung. Wände und Decken werden zudem nicht verkleidet, sondern behalten ihre natürliche Optik und Haptik. „Alle Oberflächen haben eine gleichbleibend hohe Qualität. Wir haben ausschließlich natürliche, hochwertige Materialien verwendet, was einen wesentlichen Beitrag zum gesunden Raumklima leistet“, erklärt Ingo Timmermann, Geschäftsführer der Primus Deve-lopement GmbH, die beim Studentenwohnheim als Bauherr fungierte. Für die am stärksten beanspruchte Oberfläche, den Boden, entschieden sich Planer und Bauherr für den Kautschukbelag „noraplan uni schwarz“ in Fliesenform vom Hersteller nora systems. Mit seiner homogenen dunklen Oberfläche harmoniert der umweltfreundliche Kautschukbelag mit dem hellen Holz und bildet ­einen deutlichen Kontrast zu den Möbeln und Wandoberflächen. Damit erscheinen die Räume auch größer, als sie eigentlich sind. Zudem zeichnet sich der Kautschukbelag durch seine hohe Verschleißfreiheit aus und benötigt keine zusätzliche Beschichtung, was wiederum gut ins ökologische Gesamtkonzept passt.

Mehrfach ausgezeichnet

Mit Start des Wintersemesters 2017/2018 bezogen die ersten Studierenden ihr neues Zuhause. Knapp nach der Eröffnung wurde Woodie auch gleich mit dem WohnbauPreis Hamburg 2017 ausgezeichnet. „… die Struktur erlaubt eine flexible Erweiterung oder Verkleinerung der Wohnflächen und kann so auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Hier verbindet sich serielles, modulares Bauen aus dem nachhaltigen Material Holz mit hervorragender Architektur und moderaten Baukosten. Das Projekt zeigt, dass Qualität in Konzeption, Entwurf und Ausführung keine Utopie ist, sondern eine neue Entwicklungsstufe im seriellen Wohnungsbau erreicht hat,“ streute die Jury des Hamburger Wohnbaupreises allen Projekt- und Planungsbeteiligten Rosen. In diesem Jahr folgten mit dem iF Gold Award in der Kategorie Architektur und dem Immobilienmanager Award in der Kategorie Projektentwicklung/Neubau zwei weitere in der ­Branche heiß begehrte Auszeichnungen. 

Zitat:

Wir verstehen unsere Raummodule als eine neue Maßeinheit für Bauzeit, Qualität, Umweltbewusstsein und Kosten. In dieser Einheit regelt das eine das andere.
Kaufmann Bausysteme

Fakten:

Universal Design Quartier
Dratelnstraße 32, 21109 Hamburg    

Bauherr: Primus Developements GmbH | Senectus GmbH, Hamburg/D
Planung: Sauerbruch Hutton, Berlin/D
Statik: Merz Kley Partner, Dornbirn/A
Holzbau: Kaufmann Bausysteme, Reuthe/A
Wohneinheiten: 371

Bruttogeschoßfläche: ca. 12.000 m2
Baubeginn: Ende 2016
Fertigstellung: Herbst 2017

Auszeichnungen

• iF Gold Award 2018 in der Kategorie Architektur
• Immobilienmanager Award 2018 in der Kategorie Projektentwicklung/Neubau
• WohnbauPreis Hamburg 2017

Raummodulbau

Vorteile der Modulbauweise: 
• serielle Fertigung aller Installationen im Werk
• hohe Ausführungsqualität
• schlüsselfertige Produktion
• Kostensicherheit
• ständige Qualitätskontrolle
• Handwerker aller Gewerke arbeiten Hand in Hand
• sehr kurze, witterungsunabhängige Montage
• höchste akustische Standards
• Passivhausstandard problemlos möglich
• schnell versetzt und sofort beziehbar

 

 

 

 

 

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