INTERVIEW: Architektur mit Charakter und Leidenschaft
Bald 20 Jahre arbeiten Gerda Maria und Andreas Gerner als Planungsteam unter dem Label gerner°gernerplus. Privat sind die erfolgreichen Architekten bereits seit dem gemeinsamen Studium ein Paar. Seit knapp zwei Jahren hat auch das plus im Firmenwortlaut ein Gesicht und einen Namen: Matthias Raiger hat sich vom langjährigen Mitarbeiter zum gleichberechtigten Partner in der Geschäftsführung entÂwickelt und vertritt die nächste Generation im Unternehmen.
Im Hof eines Gründerzeithauses in der Wiener Mariahilfer Straße befindet sich der Zugang zu gerner°gernerplus. Sportlich der Aufstieg: Im dritten, liftlosen Stockwerk liegt der Eingang ins Büroloft. Auf zwei Etagen arbeiten heute rund 30 ständige Mitarbeiter an Projekten in allen Größenordnungen – die drei Geschäftsführer immer mittendrin. Die Hierarchien sind flach bei Gerners, die mittlerweile drei GeschäftsÂführer im Unternehmen präsent. Trotz Wirtschafts-, Finanz-, Bankenkrise und schwächelnder heimischer Baukonjunktur kann sich das vielseitige Planungsteam nicht über einen Mangel an Aufträgen beklagen. Die Geschäfte laufen gut, was nicht zuletzt am breiten Arbeitsspektrum liegt. Keine Bauaufgabe ist zu klein, keine zu groß.
Das Portfolio an realisierten und aktuellen Projekten reicht von kleineren Zu- oder Umbauten und Sanierungen über Einfamilienhäuser, Weingüter, Tourismus- und Kulturbauten bis hin zu großen sozialen WohnbaupÂrojekten, Gewerbe- und Industrieimmobilien sowie den Headquarters zahlreicher Firmenzentralen.
Auf Erfolgskurs
Gegründet wurde das Architekturbüro im Jahr 1997 – kurz nach dem Studienabschluss an der Technischen Universität Wien. Ihren ersten Auftrag lehnten sie aber schon viel früher ab – nämlich noch während des Studiums. Tatsächlich starteten die ambitionierten Jungunternehmer ihre Karriere mit einem Auftrag, den sie nicht annahmen, obwohl sie keinen anderen in Aussicht hatten. Nicht weil sie es sich damals nicht zugetraut hätten ein Bestandsgebäude umzubauen, sondern, weil das konkrete Projekt kein Potential hatte. „Ein Umbau, der mit großem Aufwand und erheblichen Kosten zu einer halbherzigen, unspannenden Lösung geführt hätte. Das wollten wir auch zum Schutz unseres Bauwerbers nicht machen“, erinnert sich Andreas Gerner.
Der Beinahe-Bauherr war zwar verstört aber auch beeindruckt von der „radikalen“ Haltung der beiden Architekten. Kurze Zeit später versuchte er mit einem leeren Baugrundstück und dem Auftrag für die Planung eines Einfamilienhauses erneut sein Glück und war beim zweiten Anlauf voll und ganz von der Neubaulösung überzeugt.
„Wir hatten das Glück, dass wir nicht erst den Umweg über unzählige Studien und WettbeÂwerbe gehen mussten, sondern gleich mit einem konkreten Auftrag und einem realisierten Projekt starten konnten“, ergänzt Gerda Maria Gerner.
Dazu noch ein höchst erfolgreicher Start in die Selbstständigkeit – und das noch bevor die beiden ihr Studium abgeschlossen hatten. Denn erst kurz vor dem eigentlichen Baustart absolvierte Andreas Gerner seine Diplomprüfung. Mit der ersten Realisierung war der Sprung ins kalte Wasser getan und die Resonanz unerwartet hoch für Berufseinsteiger. Denn der unkonventionelle Neubau sorgte in der Planerszene für Aufsehen und wurde als eines der wenigen Architektur-Erstlingswerke auch vom Fleck weg von der Fachpresse publiziert.
„Den Wunsch selbstständig zu arbeiten hatten wir schon sehr früh“, erzählen Gerners. Obwohl damals bereits der erste der beiden Söhne auf der Welt war und trotz aller Unsicherheiten und Unwegbarkeiten, die eine Bürogründung mit sich brachte.
„Wir wollten unbedingt eigenverantwortlich arbeiten, und das haben wir konsequent durchgezogen – ohne Sicherheitsnetz“, so Andreas Gerner. Existenzängste gehören zum Dasein eines Selbstständigen dazu, sind sie sich einig: „Das hält schlank, beweglich und verleiht einem den nötigen Biss, den man auch braucht, um sich langfristig zu etablieren.“
Stilecht
Etabliert hat sich gerner°gernerplus in den verganÂgenen Jahren sehr gut – national sowie interÂnational, mit einem breiten architektoÂnischen Å’uevre und Projekten in allen GrößenÂordnunÂgen.
„Es ist die Freude an der Architektur und nicht das Ergötzen am Honorar“, was für Andreas Gerner auch die Entwicklung kleiner Projekte attraktiv macht. Und es ist die Begeisterung, sich neuen Herausforderungen zu stellen, weswegen es auch nach oben hin für Gerners keine Grenzen zu geben scheint. „Wir sind glücklich und dankbar dafür, dass wir von dem, was wir lieben, gut leben können“, erklärt Gerda Maria Gerner.
Ihren Biss haben sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht verloren und dabei eine eigenständige Handschrift entwickelt, die ihren Projekten einen hohen Wiedererkennungswert und einen unverwechselbaren Charakter verleiht. Das liegt zum einen an der Ehrlichkeit des Materialeinsatzes, zum anderen aber auch in der Nutzung der zeitgemäßen Möglichkeiten der VorferÂtigung.
Und auch heute kommt es immer noch vor, dass sie einen Auftrag auch ablehnen, wenn sie von der vom Bauherrn angestrebten Lösung nicht überzeugt sind. Und in aller Regel sind sie mit ihren alternativen GestaltungsÂvorschlägen erfolgreich – weil sie den Bauherrn mit einem „Nein“ nicht „im Regen stehen lassen“, sondern in intensiver Zusammenarbeit die für den Ort, die Nutzung und die jeweiligen Bedürfnisse beste Lösung gemeinsam entwickeln.
Die nächste Generation
Seit über zehn Jahren gehört auch Matthias Raiger zum Gerner-Planungsteam. Zuletzt als Projektleiter tätig, hat er vor knapp zwei Jahren als gleichberechtigter Partner in die Geschäftsführung gewechselt. Damit ist für das Ehepaar Gerner auch die Trennung zwischen Privatem und Beruflichem leichter geworden. Denn berufliche Probleme, die früher oft zuhause am Frühstückstisch besprochen wurden, werden jetzt ins Büro verlagert und wichtige Entscheidungen ausschließlich im Dreierteam getroffen. Auch die Gestaltungshoheit in der ProjektÂentwicklung liegt nun in sechs Händen.
„Letztendlich ist Architektur Teamwork. Das heißt, es werden keine Entscheidungen von oben herab getroffen, unsere projektÂverantwortlichen Architekten sind angehalten, sich, ihre Persönlichkeit und ihre Erfahrung einzubringen. Ein Stück von sich selbst zu geben und gleichzeitig die Diskussion und den Austausch mit uns zu suchen. Durch diese teamorientierte Arbeitsweise entstehen Projekte, die natürlich die gestalterische Handschrift von gerner°gerner plus tragen, in denen sich aber auch gleichzeitig der projektÂbezogene Planer wieder findet“, beschreibt Raiger den Arbeitsstil des Büros, den er sowohl aus der Perspektive des langjährigen ProjektÂleiters wie auch aus der des Juniorpartners kennt.
Ein Arbeitsstil, den auch die Mitarbeiter schätzen, wie sich unter anderem an der geringen Mitarbeiterfluktuation ablesen lässt.
Personen | Â www.gerner-gerner.at |
Andreas Gerner | Â |
1964 1985-1992 seit 1996 2000 2005 2013 |
geboren und aufgewachsen in Seekirchen und Stadt Salzburg Architekturstudium, TU Wien Zusammenarbeit mit Gerda Maria Gerner Gründung gerner°gerner plus Gründung architekt di. andreas gerner zt gmbh (Geschäftsführer) Gründung architekten gerner und partner zt gmbh |
Gerda Maria Gerner | Â |
1964 1985-1992 seit 1996 2000 2005 2013 |
geboren in Oberpullendorf/BGLD und aufgewachsen in Raiding Architekturstudium, TU Wien Zusammenarbeit mit Andreas Gerner Gründung gerner°gerner plus Gründung architekt di. andreas gerner zt gmbh (Gesellschafterin) Gründung architekten gerner und partner zt GmbH |
Matthias Raiger | Â |
1977 1991-1996 1996-2001 seit 2003 seit 2013 |
geboren in Brasilia/Brasilien, aufgewachsen in München und Wien HTL Mödling Hochbau Architekturstudium, TU Wien Zusammenarbeit mit gerner°gerner plus Partner (Geschäftsführer)  |