INTERVIEW: Bausparen – ein österreichisches Erfolgsprodukt
Das Einfamilienhaus ist nach wie vor die beliebteste Wohnform von Herrn und Frau Österreicher. Der Weg dahin führt für rund die Hälfte aller Bauwilligen über ein Wohnbaudarlehen im Zuge eines Bausparvertrages, der hierzulande seinerseits als häufigste Sparform hoch im Kurs steht. Dr. Josef Schmidinger, ehemaliger Generaldirektor der s Bausparkasse, weiß warum und kennt – wirklich alle – Details.
Österreich ist ein Land der Bausparer. Warum ist diese Sparform so beliebt und weit verbreitet und wie viele Bausparer gibt es aktuell hierzulande?
Schmidinger: Insgesamt gibt es in ganz Österreich derzeit über 4,9 Millionen Bausparer, rund 1,64 Millionen davon haben einen Bausparvertrag bei der s Bausparkasse. Die Beliebtheit resultiert daraus, dass Bausparverträge nicht nur ein Standard-, sondern auch ein traditionelles Massenprodukt sind, das jeder kennt und wo somit kaum Erklärungsbedarf notwendig ist.
Wie sieht das auf internationaler Ebene aus? Erfreut sich das Bausparen hier vergleichbarer Beliebtheit?
Es gibt rund 60 Millionen Bausparer in ganz Europa, mit einer Bilanzsumme von ca. 240 Milliarden Euro – also eine Spur größer als die größte österreichische Bank. Bausparen kommt aus Deutschland und ist mittlerweile in ganz Europa verbreitet, auch in allen Oststaaten, wie beispielsweise Tschechien, Slowenien, Ungarn, Rumänien, Kroatien usw., wo es ähnlich wie bei uns als Prämiensparsystem funktioniert. Österreich hat mit rund 55 Prozent aber sicher die höchste Marktdurchdringung. Zum Vergleich liegt diese bei knapp 30 Prozent, in der Slowakei beispielsweise, liegt die Bausparfinanzierung auf Platz eins der Hypothekarkredite.
Sie sagen Bausparen ist ein traditionelles Massenprodukt. Seit wann gibt es das Bausparsystem eigentlich?
Wir sind seit jeher in der Wohnbau-Finanzierung verankert. Die Erste Österreichische Sparkasse hat im Zeitraum von 1860 bis 1910 über 300.000 Wohneinheiten in Wien finanziert. Als die Ringbauten entstanden sind, herrschte in Wien unter anderem durch den Zuzug der vielen Handwerker ein Wohnungsnotstand. Damals hat man im Bereich außerhalb des Rings bis zum Gürtel die Gründerzeitviertel entwickelt, die bis heute sehr begehrten Wohnraum bieten. Finanziert wurde das alles von der Ersten Österreichischen Sparkasse – mit sechsprozentigen Krediten und mit viereinhalbprozentigen Anleihen auf 60 Jahre. Eigentlich die Vorläufer des Bausparens.
Und wann wurde die s Bausparkasse gegründet?
Im Jahr 1941. Nach 1945 wurde die Bausparkasse der Girozentrale übertragen und erst im Jahr 1991 ausgegliedert. Seit 1992 ist die s Bausparkasse eine Aktiengesellschaft, zu 95 Prozent im Eigentum der Erste Bank und zu fünf Prozent im Eigentum der Wiener Städtischen Versicherung.
Haben Sie ungefähr einen Überblick, wie viele Darlehensnehmer private und wie viele institutionelle Bauträger sind, die über Bausparkredit finanzieren?
Unser Kerngeschäft ist mit 85 Prozent der Retailbereich – sprich der private Bauherr. Zum mehrgeschoßigen Wohnbau gibt es bei den Bausparkassen unterschiedliche Zugänge. Wir haben das eine Zeit lang sehr intensiv betrieben, jetzt wird dies aber über die Erste Bank direkt abgewickelt. Auch bei den anderen Bausparkassen sind die Prozentanteile privat/institutionell vergleichbar. Das liegt vor allem daran, dass jeder Bau- sparer Anspruch auf ein Bauspar-Darlehen hat und wir nur jene Mittel an institutionelle Bauträger für Wohnzwecke oder Wohninfrastruktur ‚ausleihen‘, die im Privatbereich nicht abgeschöpft werden. Wir dürfen quasi nur den Überschuss für Großbauvorhaben – sprich über vier Wohneinheiten – verwenden.
Wie hoch sind die Anteile der Darlehen, die direkt in den Einfamilienhaus-Neubau bzw. in die Sanierung oder den Wohnungskauf gehen?
Rund 39 Prozent gehen in den Neubau, 37 Prozent sind Wohnungskäufe von einem Bauträger und rund 16 bis 17 Prozent macht der Anteil der Sanierung aus. Der Rest sind Umschuldungen. Für uns in der s Bausparkasse ist der Hauptanteil also nach wie vor der Eigenheim-Neubau.
Welche Kriterien zeichnen aus Ihrer Sicht ein gutes Wohnungseigentum aus?
Das sind im Wesentlichen drei Fragen, die man sich stellen sollte: Was will ich? Was ist der nachhaltige Wert der Investition? Und kann ich mir das auch wirklich leisten? Wenn man schon Kapital aufnimmt, dann sollte es einem natürlich gefallen – das ist sehr individuell. Einer oder eine sucht Sport- und Freizeitmöglichkeiten in der unmittelbaren Umgebung, der oder die andere schätzt vielleicht das Kulturangebot. Zweitens, man muss sich die Fungibilität der Immobilie überlegen – wie gut kann ich mein Eigentum wieder verkaufen? Und drittens muss man es sich auch einfach leisten können, sonst hat man weder am emotionalen noch am wirtschaftlichen Aspekt Freude. Denn ganz so einfach ist es doch auch nicht, ein Eigentum wieder gewinnbringend oder zu-mindest verlustfrei zu verkaufen – schon gar nicht, wenn es schnell gehen muss oder soll.
 Im Jahr 2005 hat die s Bausparkasse mit „Das beste Haus“ den ersten und bislang einzigen reinen Architekturpreis für Einfamilienhäuser ins Leben gerufen. Ein Versuch, die architektonische Qualität im Einfamilienhausbau zu heben?
Eher ein Versuch, die vorhandene Qualität publik zu machen! Wir haben in Österreich tolle Architekten und genießen, was die heimische Architekturleistung angeht, Ansehen in der ganzen Welt. Das gilt nicht nur für die Großprojekte, sondern im Speziellen auch für den Einfamilienhausbereich. Nicht umsonst ist die Ausstellung zum Architekturpreis als Leistungsschau für die heimische Einfamilienhaus-Architektur bis nach China und in die USA gegangen. Diese Schau zeigt, dass in Österreich – abseits von Prestigeprojekten – auch auf breiter Basis ausgezeichnete Architektur entsteht und hochwertigst gebaut wird.
Wird es den Architekturpreis auch in Zukunft geben?
Wir werden den Preis auf jeden Fall weiterführen. Allerdings in Zukunft im Dreijahres-Rhythmus. Der erste Preis ist meist kein Problem – da hat man den Vorteil, dass man etwas Neues macht und es gibt auch genug Projekte. 2005 hatten wir über 200 Einreichungen. Das wird mit nur zwei Jahren Abstand zwischen den Preisen schwieriger. Wir wollen mit dem Preis ja auch Trends und Entwicklungen aufzeigen – von der Wohnburg über das Smarthaus bis hin zu mobilen Wohnlösungen, die man bei einem Umzug einfach mitnimmt. Da braucht es mehr zeitlichen Abstand zwischen den Preisen.
Welche sind die Trends, die sich in den vergangenen zehn Jahren gezeigt haben?
Vereinfacht kann man sagen: Es gibt die Tüftler unter den Planern und Bauherren und es gibt jene, die sehr repräsentativ bauen. Das heißt einerseits gibt es den Trend, möglichst effizient zu bauen und auf kleinster Fläche das Maximum an Wohnqualität herauszuholen. Auf der anderen Seite ist da aber auch eine Entwicklung zu mehr Wohnfläche, mehr Raumluxus erkennbar. Was aber für alle gilt, ist der immer umfassendere Einsatz von Technik auf dem höchsten Stand – sowohl in Bezug auf die Haustechnik als auch was die Energieversorgung angeht. Hier wird alles ausgeschöpft, was der Markt derzeit zu bieten hat.
Ãœber die s Bausparkasse:
Die s Bausparkasse wurde im April 1941 als Öffentliche Bausparkasse für die Ost- mark gegründet. Bereits im Jahr 1977 regis- trierte die Bausparkasse eine Million Kunden. Die jetzige Bezeichnung des Unternehmens soll die Zu- gehörigkeit zur Sparkassengruppe verdeutlichen. In den 1990er Jahren erfolgte die Umwandlung zur Bau- sparkasse der österreichischen Sparkassen AG. Die s Bausparkasse zählt heute zu den führenden Bausparkassen Österreichs und betreut jeden dritten Bausparer in Österreich – somit über 1,5 Millionen Personen. |
Zur Person:
 Dr. Josef Schmidinger, Generaldirektor der s Bausparkasse | geb. am 16.09.1955 in Wolfsbach |
 | verheiratet, zwei Kinder |
Ausbildung – Studium: | Stiftsgymnasium der Benediktiner in Seitenstetten |
 | 1974–1978 Studium der Rechtswissenschaften an der juristischen Fakultät der Universität Wien, Promotion zum Dr. jur. |
Beruflicher Werdegang: | 1976–1978 Studienassistent am Institut für Röm. Recht an der Uni Wien |
 | 1978–1980 Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien |
 | 1980–1981 Lehrtätigkeit an der Uni Wien |
 | 1980 Eintritt in die Erste österreichische Spar-Casse, Juristischer Referent in der Abteilung Allgemeine Rechtsangelegenheiten |
 | ab 1994 Vorstandsmitglied der s Wohnbaubank |
 | ab 1997 Mitglied des Vorstandes der s Bausparkasse |
 | seit 2001 Generaldirektor der s Bausparkasse |