Kein Projekt zu groß – keines zu klein
Â
Wer sind die drei Herren, die hinter dem klangvollen Namen caramel stecken, mit ein paar Schirmen die Biennale rocken, süchtig nach Wettbewerben sind und im Einfamilienhaus ebenso wie im Hochhaus eine architektonisch wertvolle Bauaufgabe sehen? Tom Cervinka hat das Architektenteam im neuen Büro in Wien-Alsergrund besucht, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Ins Gassenlokal hinter der schicken Gründerzeitfassade ist Normalität eingekehrt. Nur eine Woche nach dem Umzug haben Günter Katherl, Martin Haller und Ulrich Aspetsberger mit ihrem knapp 20-köpfigen Team die Räumlichkeiten okkupiert und arbeiten so, als wären sie schon immer hier gewesen. „Wir sind schnell“, lautet die Erklärung dafür. Und schnell muss man auch sein, wenn man so wie caramel jedes Projekt als neue, einzigartige Herausforderung betrachtet, das einer ebenso einzigartigen wie individuellen Lösung bedarf. Das erklärt auch, warum es nach über eineinhalb Jahrzehnten Zusammenarbeit nach wie vor keinen carameltypischen Stil gibt und jedes Projekt anders aussieht.
Ein flottes Arbeitstempo muss man aber auch an den Tag legen, wenn man mit der Planung von Einfamilienhäusern wirtschaftlich überleben will oder einen Wettbewerb nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt und dabei auch noch mit einer überdurchschnittlich hohen Trefferquote – sprich unzähligen Wettbewerbsgewinnen – aufwarten kann.
(Wett)Kampferprobt
Wettbewerbe sind ein (offenes) Geheimnis ihres Erfolgs. Müssen sie auch sein, denn auftragsversprechende Seilschaften, Hintenrum-Netzwerke, um an Aufträge zu kommen, und Freunderlwirtschaft sind nicht ihr Ding. „Wir kennen niemanden und wir wollen auch niemanden kennen. Wir wollen einfach gute Architektur abliefern und aus jedem Projekt das Beste herausholen“, so simpel ist die Erklärung für die unzähligen Wettbewerbe, an denen das Team in den vergangenen 15 Jahren seit der Gründung des gemeinsamen Büros teilgenommen hat.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Bürogründung ebenfalls ein gewonnener internationaler Wettbewerb zugrunde liegt. 350 Teilnehmer aus aller Welt in einem offenen Verfahren – „Wir haben nicht im Traum daran gedacht, dass wir es überhaupt in die zweite Rund schaffen würden. Und irgendwann kam dann der Anruf, dass wir gewonnen haben.“ Der Anruf ging damals übrigens auf das Privathandy von Günter Katherl, der kurz davor Vater geworden war und seine Mailbox voll Stolz mit Babygeschrei „besprochen“ hatte. Spätestens da war dann auch klar, dass man sich unternehmenstechnisch professionalisieren musste.
Es war der erste Wettbewerb, an dem Haller und Katherl – damals noch unter gleichnamiger Bürobezeichnung – teilgenommen hatten. Damit war klar, dass sie sich beruflich sobald nicht wieder trennen würden. Kurze Zeit später stieß auch Ulrich Aspetsberger zum Team. „Das war die logische Konsequenz aus dem Umstand, dass wir uns ein Büro geteilt und eigentlich ohnehin alle Projekte gemeinsam gemacht haben“, erinnert sich Günter Katherl.
Detail am Rande: Gebaut wurde ihr Siegerprojekt nicht. Obwohl die Juryentscheidung so eindeutig war, dass sogar auf eine Zweit- und Drittplatzierung verzichtet wurde. Aber dieses eine Mal waren sie nicht schnell genug und so hatte sich ein anderer abseits des Wettbewerbsentscheids im Verhandlungsverfahren den Auftrag geschnappt. „Dafür waren das Preisgeld und die Publicity wirklich sehr gut“, nehmen sie es heute mit Humor.
Vom Großen zum Kleinen
Gleichsam pragmatisch gestaltete sich die Namensfindung. Nachdem sie gleich zu Beginn einige Wettbewerbssiege verbuchen und auch tatsächlich Projekte realisieren konnten, fanden sie sich irgendwann in einer Architekturzeitschrift wieder – mit drei Projekten unter drei unterschiedlichen Büronamen. Auf caramel fiel die Wahl, weil „alle guten Namen schon weg waren“, wie die Architekten mit einem Augenzwinkern festhalten.
Trotzdem haben sie es geschafft, sich mit caramel einen Namen zu machen, der für einfalls- und abwechslungsreiche Architektur steht. Doch der Bekanntheitsgrad ging nicht wie vermutet mit den Wettbewerbserfolgen und den großen Projekten einher, sondern kam über die vielen kleinen Bauaufgaben und Einfamilienhäuser für private Bauherren. „In den Fachmedien wurden wir schon kurz nach unserer Bürogründung als erfolgreiches Wettbewerbsbüro gehandelt. Tatsache ist aber, dass uns ‚zuhause‘ kein Mensch kannte. In Wien sind die meisten Wettbewerbe geladen. Wir wurden nie und werden nach wie vor nicht dazu eingeladen“, erklärt Günter Katherl. Und so mussten sie andere Wege beschreiten. Wie zum Beispiel die Planung und den Bau von Einfamilienhäusern.
Menschlich betrachtet
Die kleinen Bauaufgaben sind ganz untypisch erst nach den Großprojekten gekommen. Dabei war der Aufwand bei den ersten Privataufträgen so groß, dass diese eigentlich über die Preisgelder aus den Wettbewerben „quersubventioniert“ wurden. Belohnt wurden sie dafür mit dem direkten Kontakt zu den Nutzern ihrer Architektur – ein Bonus, den sie bei Großprojekten in der Regel vermissen. „Letztendlich geht es in der Architektur ja immer um den Menschen. Deswegen sind uns die vielen kleinen Projekte genauso wichtig wie ein Großauftrag. Wir lieben es, Projekte direkt am Menschen und gemeinsam mit unseren Kunden zu entwickeln.“
Womit dann auch die Sache mit den Schirmen auf der Biennale 2016 beantwortet wäre! „Home Made“ nennt sich das Projekt, das mit einer Investition von 50 Euro in 50 Minuten ein Feldbettenlager in menschenwürdigen Wohnraum verwandeln kann. Ein paar Sonnenschirme, Stoffbahnen, Bauzaunständer, Elektrorohre, Kabelbinder und Klemmleuchten dienen als selbstgebaute Raum-in-Raum-Installation, um ein wenig Privatsphäre für Flüchtlingsfamilien zu schaffen. Realisiert in einem leeren Wiener Bürogebäude, präsentiert als Biennale-Beitrag im Österreichpavillon in Venedig. Ein Beitrag, der nicht nur den Nerv der Zeit trifft, sondern einer Architektur-Biennale mehr als würdig erscheint.
Â
Günter Katherl | geb. 1965, Vöcklabruck |
1985–1992 | Studium der Architektur an der TU Wien |
1992 | Architekturdiplom bei Prof. Helmut Richter |
1992–1995 | Mitarbeit bei Architekt Ernst Hoffmann |
1995–1997 | Mitarbeit bei Architekt Dominique Perrault |
1998–2000 | eigenes Büro: haller+katherl |
2001 | Gründung caramel Architekten, gemeinsam mit Martin Haller Lehrtätigkeit an unterschiedl. Universitäten |
Â
Martin Haller | geb. 1966, Mittelberg |
1986–1992 | Studium der Architektur an der TU Innsbruck |
1992 | Architekturdiplom bei Prof. Gerstl |
1994–1998 | Mitarbeit bei Architekt Ernst Hoffmann |
1998–2000 | eigenes Büro: haller +katherl |
seit 2001 | caramel Architekten Lehrtätigkeit an unterschiedl. Universitäten |
Â
Ulrich Aspetsberger | geb. 1967, Linz |
1986–1995 | Architekturstudium an der TU Wien |
seit 2001 | caramel Architekten |
 | Obmann des afo (Architekturforum OÖ) |
 | Vorstandsmitglied der Kammer der Architekten und Ingenieure OÖ |
 | Lehrtätigkeit an unterschiedl. Universitäten |
Â