Tabakfabrik Linz: Köpferauchen statt Tabakqualm

  • Tabakfabrik Linz
    Tabakfabrik Linz
    © Hermann Cisar
  • Umbau
    Umbau
    Auch nach der Adaptierung zur Kreativschmiede bleibt der industrielle Charakter des ersten österreichischen Stahlbaus von Peter Behrens und Alexander Popp sicht-, erleb- und spürbar. © Hermann Cisar
  • Die alte Fabrikshalle
    Die alte Fabrikshalle
    © Archiv Austria Tabak
  • Großräumig und frei
    Großräumig und frei
    Um den Raumcharakter zu erhalten, wurde überall dort, wo brandschutztechnisch möglich, auf Innenwände verzichtet. Raumhohe Glaswände schirmen das Großraumbüro vom Gangbereich ab.© Hermann Cisar
  • Flexible Raumaufteilung
    Flexible Raumaufteilung
    Die wenigen erforderlichen Einzelräume sind flexibel in Trockenbauweise ausgeführt. Für ausreichend Tageslicht im angrenzenden Open Office sorgt der Einsatz des flächenbündigen Glassystems Rigips Planline.© Hermann Cisar
  • Zellenbüros sind eine Seltenheit in der Tabakfabrik – lediglich als Besprechungsräume wurden in Teilbereichen einzelne Räume vom Open Office abgetrennt. © Hermann Cisar
  • Die über 200 Meter lange, gebogene Halle bietet heute über 300 Kreativen und Künstlern mit mehr als 50 Unternehmen ein außergewöhnliches Arbeitsumfeld.© Archipicture

Die „Tschickbude“, wie sie von den Linzern genannt wird, hat in den vergangenen zehn Jahren eine Transformation von der industriellen Produktionsstätte zur Kreativschmiede für junge Start-ups, Bildungseinrichtungen, Kulturinstitutionen und Medienagenturen durchlaufen. Der einmalige Charakter der ehemaligen Tabakfabrik blieb dabei weitgehend erhalten – in der äußeren Erscheinung wie auch in Bezug auf das Raumerlebnis im Inneren. Denkmalschutz und Innenausbau unter bereits teilweiser Vermietung stellten das ausführende Trockenbauunternehmen vor zusätzliche Herausforderungen.

Über 330 Jahre wurde das Gelände der heutigen Tabakfabrik zwischen dem Linzer Stadtzentrum, der Donaulände und dem Hafenviertel als (industrieller) Produktionsstandort genutzt. Nachdem nach beinahe zwei Jahrhunderten die Linzer Wollzeugfabrik im Jahr 1850 ihren Betrieb einstellte, wurde in Teilen der alten Textilmanufaktur Rauch- und Kautabak erzeugt. Knapp zehn Jahre später arbeiteten bereits über 1.000 Beschäftigte in den alten Räumlichkeiten, die in den 1920er Jahren schließlich endgültig an ihre Kapazitätsgrenzen und das Ende ihrer Nutzungsmöglichkeiten stießen. 1928 wurde der Bau einer modernen, neuen Fabriksanlage beschlossen und Peter Behrens, Vorreiter der funktionalistischen Architektur und des Bauhaus-Stils, mit der Planung beauftragt. Die Tabakfabrik war Behrens letzter großer Industriebau, den er gemeinsam mit seinem ehemaligen Schüler Alexander Popp an der Wiener Akademie über deren gemeinsames Architekturbüro in Wien realisierte. Der Neubau erfolgte zwischen 1930 und 1935 mitten in der Weltwirtschaftskrise und konnte in der Endphase nur dank monatlicher finanzieller Zuschüsse des Finanzministeriums fertiggestellt werden. Die Eröffnung erfolgte im November 1935.  

Denkmalgeschützte Industrieanlage 

Die Tabakfabrik Linz ist als eines der ältesten und großen österreichischen Industrieareale nicht nur national von architekturgeschichtlicher Bedeutung. Als allererster Stahlskelettbau Österreichs im Stil der neuen Sachlichkeit entwarf Peter Behrens ein Gesamtkunstwerk auf den gestalterischen Grundideen des Funktionalismus und schuf damit ein bauliches Denkmal von internationalem Rang. Behrens, der heute gemeinhin auch als Erfinder des Corporate Designs gilt, verwirklichte hier idealtypisch eines der ersten, durchgängig an der Corporate Identity eines Unternehmens gestalteten Gebäude. Vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschaftskrise ist vor allem auch die Größe der Anlage mit einer überdachten Nutzfläche von knapp über 80.000 Quadratmetern mehr als beachtlich. 

Anfang der 2000er Jahre wurde die Tabakfabrik privatisiert und an den britischen Gallaher-Konzern sowie später an Japan Tabacco International weiterveräußert. Im Jahr 2009 wurde der Standort schließlich endgültig geschlossen und die Produktion in Länder mit geringeren Lohnkosten verlagert. Mit ein Grund für die Schließung waren zufolge Japan Tabacco auch die strengen Auflagen in Bezug auf bauliche Eingriffe in die historische Substanz des zu Beginn der 1980er Jahre unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes. Um das Industriedenkmal vor dem Verfall zu schützen und langfristig zu erhalten, kaufte die Stadt Linz noch im Jahr 2009 die Tabakfabrik für knapp 17 Millionen Euro zurück. 

Zentrum der Kreativwirtschaft 

Seit dem Jahr 2010 erfolgt die Transformation der Tabakfabrik zum Kreativareal. Für die Entwicklung zeichnet die Tabakfabrik Linz Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft – eine Tochter der Unternehmensgruppe Stadt Linz – verantwortlich. Die neue Tabakfabrik soll das Zentrum der oberösterreichischen Kreativwirtschaft werden und übernimmt damit eine wesentliche Schlüsselrolle in der Positionierung der Stadt Linz im Bereich der Creative Industries. Um die langfristig bestmögliche Nutzung des Gebäudes herauszufinden, wurden die ungenutzten Flächen bereits kurz nach dem Kauf durch die Stadt zur Zwischennutzung für Veranstaltungen und Events aller Art freigegeben. Mittlerweile arbeiten über 300 Kreative und Künstler/innen in über 50 verschiedenen Unternehmen und Organisationen. Diese Pioniere und Pionierinnen nutzen die bereits sanierten Gebäudeteile des weitläufigen Areals in Form von Ateliers, Büros, Praxen, Studios oder Werkstätten. Heute arbeiten bereits wieder mehr Menschen in der Tabakfabrik als vor ihrer Schließung im Jahr 2009.   

Umbau mit Bedacht 

Nach und nach wurde und wird das Gebäude seit Wiederübernahme durch die Stadt Linz zur Kreativschmiede für junge, innovative Start-ups, Bildungseinrichtungen und Medienagenturen umgebaut. Im Vordergrund der umfassenden Sanierungs- und Adaptierungsarbeiten steht dabei der Erhalt und die Erfahrbarkeit der historischen Industriearchitektur. Der einzigartige Charakter des Gebäudes soll nach den Wünschen des Denkmalamtes ebenso wie nach den Vorstellungen des neuen Betreibers weitgehend beibehalten werden, trägt er doch wesentlich zur besonderen Atmosphäre der Räume bei. 

Anspruchsvoller Innenausbau

Nicht nur die äußere Hülle, sondern vor allem auch die Raumeindrücke im Inneren galt es im Zuge der Adaptierungen für die vielfältigen neuen Nutzungen zu erhalten. Deshalb stellte der Innenausbau das ausführende Trockenbauunternehmen vor gehörige Herausforderungen, auch aufgrund der Tatsache, dass ein Großteil der Arbeiten unter bereits teilweiser Vermietung des Gebäudes erfolgen musste. Lärm- und Staubbelästigungen mussten deshalb auf ein Minimum reduziert und die einzelnen Arbeiten mit den ansässigen Unternehmen laufend koordiniert werden.  

Im Zuge des Ausbaus sollten die alten, auf Stahlträgern aufgelagerten Ziegelgewölbe als typisches Gestaltungselement erhalten bleiben. Gleichzeitig musste die Tragstruktur aber auch auf den neuesten Stand der Technik gebracht und den erhöhten Anforderungen an den Brandschutz angepasst werden. Zur Erfüllung der Brandschutzauflagen wurden alle Träger mit Ridurit-Platten in der Brandschutzklasse R 30 bzw. R 90 bekleidet.

Aufgrund der neuen Nutzung war es auch erforderlich, die rund 200 Meter lange, gebogenen Halle in einzelne Brandabschnitte zu unterteilen. Hier kamen ebenfalls als Trennung der einzelnen Abschnitte Ridurit-Platten zum Einsatz, die nicht nur die Anforderungen an den Brandschutz bestmöglich erfüllen, sondern als Leichtbaukonstruktionen die nachträglichen bzw. künftigen Anpassungen an neue Gegebenheiten und Nutzungserfordernisse relativ einfach und mit geringem baulichen Aufwand möglich machen. Damit ausreichend Licht in die tiefen Räume gelangen kann und gleichzeitig der Industriecharakter erhalten bleibt, wurde im Zuge eines Open-Office-Konzepts größtenteils und überall dort, wo brandschutztechnisch möglich, auf Innenwände verzichtet. Lediglich zu den Gangbereichen schirmen raumhohe Glaswände die Großraumbüros zur Verkehrsfläche hin ab. Erforderliche Einzelbüros, oder Besprechungszimmer sind in Trockenbauweise mit dem flächenbündigen Glassystem RIGIPS Planline ausgeführt. So bleiben Durchsicht und Helligkeit weitestmöglich erhalten.

Die Geschichte geht weiter

Als neues Linzer Wahrzeichen wird in den kommenden Jahren der NeuBau 3 im Westen des Tabakfabrikareals nach den Plänen des Wiener Architekturbüros Zechner & Zechner errichtet. Der knapp über 100 Meter hohe Turm soll sowohl als Anziehungspunkt als auch als Scharnier zum aufstrebenden Linzer Hafenviertel fungieren und das dahinterliegende Fabriksareal öffnen. Der Neubau gewährleistet die erforderliche Infrastruktur für die bestehenden und zukünftigen Mieter/innen der Tabakfabrik.   

Zitat:

"Ein Relikt des industriellen Zeitalters wird zum Sinnbild für die Innovationskraft kreativer Industrien: Neue Konzepte für die Arbeitswelt von morgen, soziale Verantwortung und eine spartenübergreifende Ausbildungskultur … bilden das Fundament der Tabakfabrik.“

Stefan Giegler, Linzer Gemeinderat und Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik         

 

Fakten:

Tabakfabrik Linz
Peter-Behrens-Platz, 4020 Linz        

Bauherr: Immobilien Linz GmbH & Co. KG, Linz  

Architektur Bestand: Peter Behrens und Alexander Popp

Generalplaner: Stögmüller Architekten ZT GmbH, Linz 

Trockenbau: Sperer Accoustics GmbH, Wels 

Errichtung Bestand: 1930–1935  

Umbau Bau 1: 2015–2018 

Nutzfläche Bau 1: ca. 30.000 m² 

Gesamte überdachte Fläche: ca. 80.000 m²

Öffentlicher Platz Peter-Behrens-Hof:  10.000 m²        

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