Holzbau in neuer Dimension
Was dabei herauskommt, wenn die Funktionalität eines Gewerbebaus eine Liaison mit der Ästhetik der Architektur eingeht, zeigt das Ende September fertiggestellte iLogistics Center im niederösterreichischen Fischamend. Das Logistikunternehmen cargo-partner realisierte nahe dem Flughafen Wien-Schwechat einen nachhaltigen Holzbau von wahrhaft gigantischen Ausmaßen – und einer Präzision in der Ausführung, wie sie nicht nur im Holzbau ihresgleichen sucht.  Â
Alleine schon aufgrund der gewaltigen Dimensionen bietet das neu errichtete Logistikzentrum von cargo-partner einen weithin sichtbaren Orientierungspunkt in Fischamend: Über 100 x 100 Meter im Grundriss und rund 20 Meter hoch bietet es auf einer Grundfläche von mehr als 10.600 Quadratmetern eine Nutzfläche von knapp 12.250 Quadratmetern. Dazu kommt die nachhaltige Bauweise, die den konstruktiven Holzbau mit einer Fassade in hochwertiger Lärche nach außen trägt. Insgesamt rund 120 Kubikmeter Lärchenholzlatten bilden als dünne Striche die Fassade und gliedern mit feinen Ziernähten die großformatigen, versetzten Fensteröffnungen. Sowohl Hülle als auch Konstruktion stammen dabei ausschließlich aus nachhaltiger Forstwirtschaft, wie auch sonst bei den verwendeten Materialien Ökologie, Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine tragende Rolle spielten. So wurden für das gesamte Bauwerk ausschließlich Materialien verwendet, die CO2-neutral oder CO2-arm hergestellt werden können.
Neue Holzbauwelten
Mit dieser Anforderung stellte der Bauherr cargo-partner die Planung und Ausführung vor bislang im Holzbau noch nicht dagewesene Herausforderungen. Erweitert um den Anspruch ein Gebäude zu realisieren, das „für eine Nutzung von etwa 70 Jahren ausgelegt ist, mit Anforderungen, die wir uns – durch die unglaublich rasanten Veränderungen – heute teilweise noch gar nicht vorstellen können“, erklärt Stefan Krauter, Eigentümer und CEO von cargo-partner. „Mit unserem iLogistics Center haben wir ein erfolgreiches Vorzeige- projekt ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiger Architektur realisiert“, so Krauter weiter. Â
Umfassendes Anforderungspaket
Anspruchsvolle Architektur im Einklang mit den Erfordernissen eines vollautomatisierten Logistikgebäudes, klimaschonend in Errichtung und Betrieb sowie maximal flexibel in der langfristigen Nutzbarkeit – so lassen sich die alles andere als anspruchslosen Wünsche des Bauherren in aller Kürze zusammenfassen. Mit der planerischen Umsetzung wurde das oberösterreichische Architektenteam Helmut Poppe und Andreas Prehal direkt beauftragt. Diese direkte Auftragsvergabe durch den Logistikspezialisten erfolgte nicht ohne guten Grund, denn wenn es um die Errichtung innovativer und architektonisch ebenso anspruchsvoller wie ansprechender Gewerbebauten geht, dann spielen Poppe*Prehal Architekten in der ersten Liga. Kaum ein anderes heimisches Architekturbüro hat sich um die gestalterische Qualität im hochfunktionalen Gewerbebau gleichermaßen verdient gemacht, wie die beiden Architekten aus Steyr. Mit dem Logistikzentrum LT1 von Schachinger in Hörsching oder dem 2017 fertiggestellten Metro-Großmarkt „Zero 1“ in St. Pölten, können sie bereits auf zwei außergewöhnliche und mehrfach ausgezeichnete (u. a. Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit) Großprojekte als Referenz verweisen. „Nachhaltiges Bauen ist ein ganz zentrales und umfassendes Aufgabenfeld, wo verschiedene Ebenen des Arbeitens, des Klimaschutzes, der Ressourcen sowie Themen von Ästhetik über Wiedererkennungswert und Corporate Identity bis zum Rückbau nach der Nutzungsdauer auf eine Ebene gestellt und verbunden werden“, ist Helmut Poppe überzeugt und mit dieser Haltung traf er beim Bauherren genau ins Schwarze.
Hochleistungsfassade
„Das iLogistics Center ist mit seiner signifikanten Architektur aus Holz auch nach außen klar sichtbar ein Zeichen für Nachhaltigkeit und die besondere Kultur des Gewerbebaus im Kontext mit innovativer Architektur.“ Dass die Hülle des Gebäudes wesentlich mehr als nur schöner Schein ist, beweist ein Blick ins Detail: Mit ihrer hoch- effizienten Dämmung aus Mineralwolle und der winddichten Verpackung erreicht die Fassade einen U-Wert von 0,25 W/m2K, der absolut erforderlich ist für die kostenschonende Temperaturführung zwischen minimal 15 °C und maximal 26 °C, bei einer konstanten Luftfeuchtigkeit von rund 70 Prozent. Dank der dichten, gut gedämmten Hülle entstehen nur geringe Kühllasten, die – mit entsprechenden Maßnahmen zum Staubschutz – vorrangig über die Nachtkühlung (free cooling) ohne zusätzlichen Energieaufwand bewältigt werden sollen. Für den Fall, dass diese natürliche Klimatisierung doch nicht ausreichen sollte, ist bereits alles für die etwaige Nachrüstung einer Klimaanlage vorinstalliert.
Lediglich zehn Tage waren für die Montage der über 19.000 Quadratmeter umfassenden Hülle veranschlagt, was sich selbst angesichts des hohen Vorfertigungsgrades als sportliche Herausforderung erwies. Denn sowohl die Witterung als auch die Windverhältnisse spielen beim Versetzen der überdimensionalen Fassadenelemente eine Rolle und waren dem Montageteam vor Ort nicht durchgehend gewogen. Die einzelnen Fassadenelemente wurden als fixfertige Wandbautafeln auf die Baustelle geliefert, „lediglich“ die Winddichtbahnen, Lattung, Konter- lattung und Lärchenholzlattung als äußere Fassadenhülle wurden nachträglich montiert.  Â
Produziert wurden die Fertigteile im Werk des Holz-Fertigteilherstellers Wiehag. Die einzelnen Elemente bestehen aus einem 18 Zentimeter starken Fichtensperrholz-Gerüst mit dazwischen- liegender Mineralwolledämmung. Innen bilden OSB-Platten auf einer Dampfbremse die sichtbare Oberfläche, außen kamen Gipsfaserplatten zum Einsatz, die bis zur endgültigen Fertigstellung der Fassade vor Ort im Wiehag-Werk mit einer Fassadenbahn als Witterungsschutz beklebt wurden. Insgesamt knapp über 8.500 Quadratmeter Rigidur H mit einer Stärke von 15 Millimetern wurden für die Herstellung der Fassadentafeln verbaut. Zum Einsatz kamen vorwiegend Großformatplatten mit 2,5 mal 2,5 Metern, die entscheidend zur Verkürzung der Produktionszeiten beitrugen. Der größte Vorteil der Rigidur H ist im konkreten Projekt aber ihre Zulassung für tragende Konstruktionen im Holzbau. Denn dank mineralischer Zuschlagstoffe und Papierfasern in der Gipsmatrix verfügen die Platten nicht nur über eine extreme Oberflächenhärte, sondern können im Holzbau auch zur aussteifenden bzw. mittragenden Beplankung – unter anderem von Fertigteilen – herangezogen werden. Zudem er-füllen die Hauptzutaten für Rigidur H – Gips und Papierfasern – zu hundert Prozent die ökologischen Ansprüche von Bauherr und Architekten.Â
Konstruktiver Grenzgänger
Konstruktiv betrachtet bewegen sich Bauherr und Planer beim iLogistics Center hart an der Grenze zum technisch Machbaren. Nicht nur die Gebäudehülle besteht zum überwiegenden Teil aus Holz, auch die gesamte Tragstruktur wurde in Holzbauweise errichtet. Ein überdimensionales Holzskelett trägt die Fassaden- und Deckenelemente – mit bis zu 16 Meter hohen und 150 mal 150 Zentimeter wuchtigen Stützen. Diese tragen die rund zweieinhalb Meter hohen Deckenbalken mit einer Maximallänge von bis zu 24 Metern. Für einen reibungslosen Ablauf des vollautomatisierten und am Holzskelett montierten Shuttle-Systems zum Warentransport innerhalb des Lagers müssen die Träger in puncto Durchbiegung eine Maßtoleranz von maximal 0,5 Zentimetern einhalten, da sonst nicht mehr garantiert werden kann, dass die Waren exakt auf den ihnen zu- gewiesenen Plätzen landen.                         Â
Zitate:
„Mit unserem iLogistics Center haben wir ein erfolgreiches Vorzeigeprojekt ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiger Architektur realisiert.“
Stefan Krauter, CEO cargo-partner
„Das iLogistics Center ist mit seiner signifikanten Architektur aus Holz auch nach außen klar sichtbar als Zeichen für Nachhaltigkeit und eine besondere Kultur des Gewerbebaus im Kontext mit innovativer Architektur.“
Helmut Poppe, Poppe*Prehal Architekten
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Fakten:
iLogistics Center für cargo-partner
Airportstraße, 2401 Fischamend
Bauherr: ATL Immobilienverwaltung GmbH, Fischamend Â
Architektur: Poppe*Prehal Architekten, Steyr Â
Holz-Fertigteile:Â Wiehag GmbH, AltheimÂ
Baumeister:Â Held & Francke, Eisenstadt
Grundstücksfläche: 32.000 m2
Nutzfläche: 12.250 m2
bebaute Fläche: 10.615 m2
Konstruktion:Â innovativer Holzbau, 4.200 m3 Holz verbautÂ
Planungsbeginn: Juni 2016
Baubeginn: Juni 2017
Fertigstellung: September 2018
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Fassadenaufbau:
AUSSEN
Holzfassade
Lattung + Konterlattung
Winddichtbahn
Gipsfaserplatte Rigidur H
Tragkonstruktion aus BSH
dazwischen 18,0 cm Mineralwolle
Dampfbremse
OSB-Platten
INNEN
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Personen:
Poppe*Prehal Architekten ZT GmbHÂ
Helmut Poppe und Andreas Prehal absolvierten ihr Architekturstudium an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, Helmut Poppe auch an der ETH Zürich sowie der Technischen Universität Wien. 2000 gründeten sie ihr gemeinsames Büro und gewannen noch im selben Jahr ihren ersten Wettbewerb im Rahmen des vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ausgeschriebenen Projekts „Haus der Zukunft“. Die Realisierung nachhaltiger und vor allem gestalterisch hochwertiger Architektur zählt zu den vorrangigen Zielen des Büros mit Sitz in Steyr in Oberösterreich. Der hohe ästhetische Anspruch in Kombination mit energie- und kosteneffizienter Umsetzung wurde mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem mehrfach mit dem Holzbaupreis, dem Bauherrenpreis, dem Bau- kulturpreis oder dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit.  Â
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