Literarischer Hochstapler
Sie soll das kulturelle Zentrum der Stadt bilden und Initiator für die weitere urbane Entwicklung sein: Die neue Central Library, die Zentralbibliothek in der kanadischen Provinzhauptstadt Halifax. Höchste Ansprüche galt es bei der Errichtung nicht nur in puncto architektonische Gestaltung, sondern vor allem auch in Bezug auf die Innenraumqualitäten zu erfüllen.
Die Lage der Central Library im kanadischen Halifax, zwischen dem Hafen und der Zitadelle als Wahrzeichen der Stadt, ist durchaus prominent. Die neue Bibliothek ersetzt den Vorgängerbau aus den 1950er-Jahren, der bereits kurz nach seiner Eröffnung schon zu klein geworden war und in den vergangenen Jahrzehnten einige Um- und Zubauten über sich ergehen lassen musste.
Zu einer befriedigenden Lösung ist man trotz aller Erweiterungs- und Umbauarbeiten aber nie gelangt. Und so entschieden sich die Stadtväter letztendlich für die radikalste Lösung – den Abbruch und Neubau. Wesentlich größer, moderner und auch deutlich schöner anzusehen präsentiert sich der Bibliotheksneubau, der hier in knapp dreijähriger Bauzeit entstanden ist.
Den von der Stadtverwaltung seinerzeit ausgeschriebenen Architekturwettbewerb konnte eine Planergemeinschaft aus dem ortsansässigen Architekturbüro Fowler Bauld & Mitchell zusammen mit dem dänischen Büro Schmidt Hammer Lassen Architects aus Kopenhagen für sich entscheiden.
Kulturelles Zentrum
Das fünfgeschoßige Bauwerk wurde als nachhaltiges Gebäude konzipiert – sowohl was die Umwelteinflüsse in Bezug auf die Errichtung und den Betrieb betrifft, aber auch im Hinblick auf soziale und kulturelle Aspekte.
Als ein neuer Hotspot des sozialen und kulturellen Lebens der Stadt will die Stadtregierung die Bibliothek etablieren. Und so finden sich im Gebäude neben jeder Menge Bücher und Leseplätze für Lesehungrige unter anderem auch zwei Cafés, ein Auditorium für rund 300 Besucher, mehrere kleine Sitzungssäle, ein Musikstudio sowie verschiedene Spielstationen und Aufenthaltsbereiche für Kinder und Jugendliche.
Gläserner Bücherstapel
Einem ungeordneten Stapel Bücher gleich schufen die Architekten einen Baukörper, der sich aus vier horizontal zueinander verdrehten, liegenden Glaskuben zusammensetzt. Damit entstehen Überdeckungen und weit auskragende Gebäudeteile, die dem voluminösen Bauwerk gestalterisch Spannung verleihen und den gläsernen Fassaden Struktur geben. Und Fassade gibt es viel bei einer Kubatur, die eine Nutzfläche von über 11.000 Quadratmetern im Inneren umspannt. So wurden in Summe rund 6.000 Quadratmeter Glas alleine an der Hülle verbaut, die im Inneren großzügig mit Licht durchflutete Räume schafft. Um ein Überhitzen der Innenräume zu verhindern, ist die gesamte Glasfassade mit einer Low-Energie-Beschichtung vergütet.
Eine Besonderheit stellt aber auch die Siebbedruckung dar. In der zweiten, dritten und fünften Etage ist diese in Form von unregelmäßig über die Fassade rieselnden Blättern ausgeführt. Die vierte Etage erhielt rundum einen Siebdruck, der in zwei Tranchen aufgebracht wurde. Zuerst wurden graue Punkte auf das Glas aufgedruckt, und in einem zweiten Schritt ein identisches Punktmuster mit Punkten in Orange. Um Durchblick und Transparenz zu bewahren, entschieden sich Architekten und Bauherr für eine des Dichte Siebdrucks von 40 Prozent.
Innere Qualitäten
Ein über 300 Quadratmeter großes Glasdach sorgt auch in der Mitte des Gebäudes für ausreichend natürliche Belichtung. Die Zweifach-Isoliergläser sind ebenfalls mit einem punktförmigen Siebdruck versehen.
Mit einer Dichte von fünf Prozent werden die passiven Solarenergieeinträge hier reduziert. Darunter befindet sich das zentrale Atrium, dass sich über alle fünf Stockwerke erstreckt und von einem Labyrinth von Treppen, Brücken, Gängen und Stegen durchzogen ist, die die einzelnen Stockwerke miteinander sowie die Geschoße untereinander verbinden. Der hohe Anteil an natürlichem Licht mit seitlicher Belichtung und Streiflicht von oben stellte das mit dem Innenausbau beauftragte Unternehmen Tartan Interiors Limited vor gehörige Herausforderungen.
Die kleinste Unebenheit in der Wand wird bei dieser Belichtungssituation zum Krater. So mussten im gesamten Gebäude alle Oberflächen im Innenraum in der höchsten Qualitätsstufe Q 4 veredelt werden.
Ort der Stille im urbanen Gewühl
Aber nicht nur die Oberflächenqualität forderte das ausführende Innenausbauunternehmen. Aufgrund der vielfältigen Nutzungen, die im Gebäude aufeinandertreffen, waren auch die Ansprüche an den Schallschutz und die Raumakustik entsprechend hoch. Das gilt vor allem für die Akustik in den Lesebereichen, aber auch für die schalltechnische Entkoppelung von den übrigen Nutzungen im Gebäude. Auch im fünfgeschoßigen Atrium galt es eine Akustik zu schaffen, die den Aufenthalt darin selbst bei großem Besucherandrang angenehm macht. So sorgen spezielle Akustik- Deckenelemente für eine geräuschgedämpfte Raumatmosphäre.
Für das Versetzen und mehrfache Spachteln und Schleifen der Wandoberflächen waren zwischen den Treppen und Brücken zudem aufwändige Gerüstarbeiten erforderlich. Im Vergleich dazu deutlich einfacher war das Versetzen und Spachteln der abgehängten Trockenbaudecken im Bereich des Veranstaltungssaales. Auch hier brauchten Trockenausbauer, Elektriker, Klima- und Lüftungstechniker ein eigenes Gerüst, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Dieses war jedoch im stützenfreien Saal relativ einfach zu errichten. Hinter den leicht gebogenen Deckenelementen verbirgt sich die gesamte Veranstaltungs- sowie die Klima- und Lüftungstechnik. Die eingesetzten Deckenelemente dienen aber nicht nur der optischen Aufwertung, sondern in erster Linie der raumakustischen Optimierung des Saales.
Vorzeigebeispiel für nachhaltiges Bauen
Ressourcenschonend errichtet, energie- und kosteneffizient in Betrieb und Wartung, wurde die Central Library mit dem LEED-Nachhaltigkeitszertifikat in Gold ausgezeichnet. Stadt und Bauherr sind stolz auf diese verdiente Auszeichnung, und so gibt es im gesamten Gebäude verteilt Infotafeln, die über die fortschrittliche Bauweise informieren, sowie Broschüren und Bildungsfolder zum Thema Nachhaltigkeit und nachhaltiges Bauen. Damit erfüllt das Haus gleich in mehrfacher Weise seinen Bildungsauftrag für seine Besucher.
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Fakten: | Â |
Zentralbibliothek in Halifax/Kanada | Â |
Bauherr | Halifax Regional Municipality und Halifax Libraries, Halifax |
Architektur | Schmidt Hammer Lassen Architects, Kopenhagen/DK und Fowler Bauld & Mitchell, Halifax  |
Tragwerksplanung | BVDA Facade Engineering, Uxbridge/Kanada  |
Innenausbau | Tartan Interiors Limited, Halifax |
Nutzfläche | ca. 11.000 m2 |
Auszeichnung | Leed Gold |
Baubeginn | 2011Â |
Fertigstellung | 2014Â |