Am Ende: Architektur – eine Zeitreise
Unter diesem verheißungsvollen Titel läuft bis kommenden März eine Ausstellung im Architekturzentrum Wien, die dort beginnt, wo die Moderne endet. Sechs Jahrzehnte österreichische Architektur im Rückblick und gleichzeitig ein Ausblick auf das, was kommen mag. Ist Architektur das, was am Ende bleibt? Oder ist gar die Architektur am Ende? Von Abschieden und Neuanfängen und was der Baustoff Gips mit alledem zu tun hat.
Nach fast 25 Jahren an der Spitze des Architekturzentrum Wien (AzW) nimmt Gründungsdirektor Dietmar Steiner Abschied. Mit Ende des Jahres wird er seinen wohlverdienten Ruhestand antreten und ein neues Kapitel in seiner persön-lichen Biografie aufschlagen. Doch davor wird noch einmal so richtig auf die Pauke gehauen und das AzW-Team und sein Direktor ziehen ein letztes Mal gemeinsam alle Register! Ein großes Spektakel mit Ausstellung, Kongress, Buch und Film – mehr geht eigentlich schon gar nicht mehr! Damit sind alle vier Säulen, die Steiner dereinst als Grundpfeiler des AzW im Gründungsjahr 1993 definiert hat, abgedeckt: Architektur präsentieren, archivieren, diskutieren und publizieren.
Architektur am Scheideweg
Die Architektur, das Bild des Architekten und sein berufliches Selbstverständnis sind im Umbruch – an einer Weggabelung, an der die Weichenstellungen für die Zukunft getroffen werden. Die Mediatisierung und Digitalisierung in einer zunehmend globalisierten Welt machen auch vor der Architekturproduktion nicht Halt. Der Starkult in der Architektur, weltweit agierende Planungsmaschinerien mit jenseits der 1.000 Mitarbeiter, eine unüberblickbare Flut an Normen sowie die rechtliche und wirtschaftliche Schwächung des Berufsstandes haben tiefschürfende Veränderungen in der Architekturproduktion hervorgerufen und die Rolle des Architekten darin grundlegend verändert. Die Architektur steckt in der Krise – wieder einmal, wie die Ausstellung Am Ende: Architektur aufzeigt.
Zurück in die Zukunft
Die Krise der Architektur ist kein neues Phänomen – auch das verdeutlicht die Ausstellung im AzW. In Wahrheit ruft die Szene schon seit dem „Scheitern“ der Moderne. Dingfest gemacht wird das Ende der Moderne an der Auflösung des CIAM (Congrès International d’Architecture Moderne) im Jahr 1959. Dorthin reist die Ausstellung „Am Ende: Architektur“. Zurück in eine Zukunft, die damals für die Architekturschaffenden so ungewiss war, wie sie es heute wieder ist. Auch das zeigt die Ausstellung, dass jede Zeit ihre Herausforderungen hat und immer schon hatte. Umso notwendiger scheint dieser Rückblick auf die vergangenen bald sechs Jahrzehnte. Ein globaler und durchwegs auch persönlicher Rückblick, der an den Punkten Station macht, wo Dietmar Steiner seine architektonische Sozialisation erlebte: im Funktionalismus, der sanften Stadterneuerung, dem New Urbanism, der Revision der Moderne, der Signature Architecture bis hin zur Architektur als Global Business und darüber hinaus in die Zukunft des Jahres 2019, in der der Kultfilm „Blade Runner“ ein düsteres Bild von Los Angeles zeichnet.
Ein Ende mit Anfang
Den Stationen in der Architekturgeschichte stellen die Kuratorinnen Karoline Mayer, Sonja Pisarik und Katharina Ritter gegenwärtige Positionen gegenüber, wie ökologische, soziale, legislative, kontextuelle und theoretische Aspekte im aktuellen Architekturgeschehen. Mit dieser Bandbreite an Themen und der Innovationskraft, die nach wie vor von Architektur und Baukultur ausgehen, zeigen sie, dass die Architektur noch lange nicht am Ende ist. „Referenzen für die Neuen“ – so lautet denn auch der Untertitel der Ausstellung und soll jungen Architekturprotagonisten Hoffnung für die Zukunft geben. „Wir können nicht eine Ausstellung machen, die sich ‚Am Ende‘ nennt und dann tatsächlich das Ende zeigen. Wir müssen schon auch einen Hoffnungsschimmer am Horizont zeigen“, erklärt Dietmar Steiner Idee und Intention, die hinter der Ausstellung stehen, die nicht Endzeitstimmung verbreiten, sondern vor allem auch Impulse, Denkanstöße für einen Neuanfang geben will. Und zeigen soll, dass es in den Händen der Akteure liegt, in welche Richtung sich Architektur weiterentwickelt.
Sechs Jahrzehnte auf Gips gebannt
Die Ausstellung zeigt zahlreiche Fotos, Originalpläne und Modelle – teils aus dem Archiv des AzW, teils aus Steiners privatem Fundus und zum Teil Leihgaben aus internationalen Architekturarchiven. Eine Besonderheit ist die Art der Präsentation: Eine außergewöhnliche Ausstellung zu einem außergewöhnlichen Anlass – ganz außergewöhnlich in Szene gesetzt: Präsentiert werden neben zahlreichen Architekturmodellen auch Bilder, Pläne und Texte – direkt aufgedruckt auf Gipsbauplatten von RIGIPS. Die Platten selbst sind mit Architektur direkt bedruckt – sprich mit Plänen und Bildern, die die Architekturge- schichte der vergangenen fünf Jahrzehnte widerspiegeln. Und die Paletten mit den rest- lichen Platten? Schon mal vor Ort, werden sie dann auch gleich als Sockel oder Podest für Modelle und weitere Schaustücke genutzt.
Steiner macht Feierabend
Zum ersten Mal in seiner aktiven Karriere wird Dietmar Steiner dann auch wirklich Feierabend machen und überlegt evtl. sogar, sein Handy mal auszuschalten – mal sehen! Sehen – hören und lesen kann man ihn aber trotzdem – entweder im Film zum Abschied oder in seinem monumentalen Abschiedsbuch „mit weitgehend unbekannten Texten und dilettantischen Bildern“, wie er selbst sagt.
Rahmenprogramm Am Ende: Architektur Ausstellung bis 20. März 2017 |
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Ort: | Alte Halle im Architekturzentrum Wien (AzW) |
Öffnungszeiten: | täglich von 10:00 bis 19:00 Uhr |
Tickets: | 9,- € / ermäßigt: 7,- € / freier Eintritt für medium- und large-Partner/ StudentInnen: jeden Mittwoch freier Eintritt von 17:00 bis 19:00 Uhr |
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20. Wiener Architekturkongress |
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Ort: | Architekturzentrum Wien (AzW) MUMOK Hofstallungen und AzW Halle F3 |
Tickets: | 2-Tages-Kongresspass: 96,- €/76,- €, kostenloser Eintritt für PartnerInnen des AZW |
Programm und Registrierung:Â | Â www.azw.at/kongress |
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Steiner’s Feierabend Buch- und Filmpräsentation am 11. November 2016 im AzW |
Buch „Steiner’s Diary – Über Architektur seit 1959“ |
Film „Zeitreise – 60 Jahre Architektur – Eine essayistische Intervention“ |