Die Sonne im Herzen

  • Sustainability first.
    Sustainability first.
    Professor Martin Treberspurg ist eine der visionärsten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Architekturszene.© Sperl
  • Die Wohnhausanlage Kaisermühlenstraße in Wien mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung gilt als Vorzeigeprojekt in Sachen CO2-Ausstoß-Reduktion.© Lukas Schaller
  • Der Kindergarten Purkersdorf mit seiner charakteristischen Holzfassade ist mit einer flächendeckenden Fußbodenheizung und einer Luft-Wasser-Wärmepumpe ausgestattet.© TPA
  • Das Schiestlhaus am Hochschwab versorgt sich komplett selbst – die exponierte Höhenlage machte dabei im besten Sinne erfinderisch.© TPA
  • In Hülle und Fülle: Der Erlaaer Flur ist Europas größtes Urban-Gardening-Projekten – die vertikale Begrünung schützt vor Ãœberhitzung.© Alex Borowski
  • Das Österreich-Haus wurde im Rahmen der Olympischen Winterspiele 2010 errichtet und gilt als erstes Haus in Kanada mit Passivhaus-Zertifikat. Saint-Gobain war bei der Errichtung maßgeblich beteiligt und unterstützte das zukunftsweisende Projekt mit reichlich Material.© Ira Nicolai

Auch wenn er jetzt seine letzte Vorlesung gehalten hat, wird er auch in Zukunft für eine neue Generation stehen, die der Nachhaltigkeit, der Ressourcenschonung und der Sonne jene Bedeutung bemessen wird, wie er es sich wünscht. Erst wenn aus seinen unermüdlich gesetzten Keimen robuste Triebe entstanden sind, erst dann wir Martin Trebersprung zufrieden sein. Denn für ihn hat die Zukunft schon längst begonnen.

Von Barbara Jahn 

„Für die Zukunft zu bauen bedeutet für Treberspurg & Partner Architekten, unsere Position als Gestalter der Umwelt mit Verantwortungsbewusstsein zu erfüllen. Daher halten wir einen sorgfältigen Umgang mit Ressourcen und eine Besinnung auf erneuerbare Energieträger bei jeder planerischen Auseinandersetzung für ebenso bedeutend wie Nutzungseffizienz und eine hohe ästhetische Qualität der Architektur.“ Professor Martin Treberspurg, an der Technischen Universität Wien ausgebildeter Architekt und Bauingenieur, lebt aus Überzeugung ein Berufsleben zwischen Theorie und Praxis. Die unglaublich synergetische Kombination der beiden Studienrichtungen, die beispielsweise auch der Spanier Santiago Calatrava für sich in Anspruch nahm, erwies sich als perfekte Wahl für ein erfülltes Berufsleben, das nun 2019 im Sommer zu seinem glanzvollen Abschluss kam.

Kind der Sonne

Schon in frühen Jahren wurden die Neugier und das Interesse an alternativer Energieversorgung im Sohn des bekannten Bildhauers Adolf Treberer-Treberspurg geweckt. Umweltschutz und Ressourcenschonung standen auf seiner Prioritätenliste. Und das liegt wohl nicht nur an dem parkähnlichen Grundstück mit alten Bäumen, auf dem jenes Gebäude steht, in dem er mit seinen Partnern und Mitarbeitern seit vielen Jahren erfolgreich arbeitet und in dem sein Vater früher sein Künstleratelier unterhielt. Gemeinsam mit Architekt Johann Gsteu realisierte er eines der ersten Wohnhäuser, das in Niedrigenergiebauweise errichtet wurde und seine Energie passiv über Sonnenkollektoren bezieht – ein architektonisches Erstwerk, das nach über 40 Jahren immer noch tadellos funktioniert. Dies ist aber nur eine von vielen Visionen, die Martin Treberspurg zu dem machen, was er ist: Ein echter Pionier.

Wahre Kämpfernatur

1982 gründete er sein eigenes Büro, das er neben seiner Tätigkeit an der TU als Assistent am Institut für Hochbau mit dem Schwerpunkt „Solares Bauen und ökologisches Konstruieren“ sowie später als Professor für Ressourcenorientiertes Bauen an der Fakultät für Bodenkultur seit vielen Jahren erfolgreich führt. Beiden Universitäten hielt er bis heute die Treue. Sein Wirken ist nachhaltig wie seine eigene Überzeugung: Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt ganz klar auf der Errichtung von Wohnhausanlagen in Passivhausweise. Zehn Jahre nach Bürogründung folgte sein Doktorat und bald darauf, wie könnte es anders sein, erschien die Monografie "Neues Bauen mit der Sonne", heute wie schon damals ein Standardwerk für alle, die sich mit dem Thema „Solares Bauen“ auseinandersetzen dürfen, müssen oder wollen. So sehr er sich auch sein ganzes Berufsleben dafür eingesetzt hat, so ist die Nuss mit der Solarenergie doch noch nicht geknackt – für ihn ist es wohl eher bitter, dass sich diese Energieform noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat. Denn obwohl es mehr Sonnenkraft denn je gibt – und sogar mehr als den Menschen manchmal lieb ist, wenn das Thermometer Richtung 40 oder gar 50 Grad Celsius klettert, – zieht die Menschheit aus diesem wenig angenehmen und letztlich bedrohlichem Faktum keineswegs den besten Nutzen, eine Tatsache, die für Martin Trebersprung einfach nicht nachvollziehbar ist: „Dass sich die Solarenergie noch immer nicht durchgesetzt hat, macht mich nervös.“

Weitergehen statt stehenbleiben

Dabei ging er immer mit bestem Beispiel voran und zeigte der Welt, wie es gehen kann. Zu seinen herausragenden Werken zählen unter anderem sein Mitwirken bei der Linzer solarCity gemeinsam mit Norman Foster, Renzo Piano und Roland Rainer, die energieautarke Schutzhütte Schiestlhaus am Hochschwab, die mit Energie-Fassadensystem nach Süden, Sonnenkollektoren, Wärmerückgewinnungssystemen, Photovoltaik, Trockentoiletten, Abwasserreinigungsanlage und Trinkwasser-Regenwassernutzung mit Zisterne seit über zehn Jahren das Paradebeispiel des effizienten Bauens verkörpert, oder das Österreich-Haus im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Kanada 2010, das erste Haus in Kanada mit Passivhaus-Zertifikat und als erstes Haus nach ÖGNI in Österreich bewertet. Doch nicht nur Neubau, sondern auch Restaurierungen zählen zu seinem umfangreichen Portfolio, darunter die Otto-Wagner-Kirche am Steinhof, die Nationalbibliothek und die Servitenkirche, allesamt Projekte, die es mit viel Fingerspitzengefühl in die Zukunft zu führen galt. Die Liste könnte man mit dem „Kreativturm“ als Zubau für das Bundesschulzentrum in Bruck an der Leitha, dem zu 100 Prozent nachhaltig betriebenen Haus der Volkshilfe, einigen Gebäude mit Urban Gardening und vielen mehr noch lange fortsetzen.

Mission noch nicht beendet

Martin Treberspurg schließt zwar ein Kapitel seines Lebens ab, blickt aber in die Zukunft, um seine Anliegen weiterzubringen. Die Chance, am Institut für Konstruktiven Ingenieurbau ressourceneffizientes Bauen im Rahmen einer Professur zu lehren und die Erfahrungen der Forschung mit der Praxis zu verbinden, ließ er nicht ungenützt an sich vorüberziehen. „Ziel ist das Plusenergiehaus, das nicht Energie verbraucht, sondern erzeugt.“ Ich bin in der Mondlandephase 1968 aufgewachsen. Die damals vorherrschende Technikeuphorie war mir schon immer etwas suspekt, es muss primär eine klare ethische Haltung vermittelt werden.“ Damit legte er den Grundstein zur ethischen Grundlage für Nachhaltigkeit, die er persönlich für essentiell und zukunftsweisend hält. Sein unermüdliches Engagement aus Überzeugung und sein aktives Tun brachten ihm 1999 sogar den begehrten Sir-Robert-Matthew-Preis, den Weltarchitekturpreis der UIA – Union Internationale des Architectes, ein, auf den er besonders stolz ist. Was bleibt, sind viele vorbildliche Projekte und schriftliche Werke wie „Thermische Aspekte der Bauphysik im Hochbau“ oder seine Bücher „Neues Bauen mit der Sonne“, „Altbaumodernisierung – der praktische Leitfaden“ (2002), „solarCity Linz Pichling. Nachhaltige Stadtentwicklung“ (2008) und „Einblick/Ausblick: 14 Jahre Ressourcenorientiertes Bauen an der BOKU – von der Forschung in die Praxis“ (2018). Was kommt, weiß nur er selbst. Aber man darf sicher sein, dass man noch sehr viel von ihm hören wird als einen Architekten, der für seine Sache brennt.      

Zitat:
Mit viel Optimismus kann man aus dem Geist gegenseitiger Verantwortung ungeahnte Potenziale an Innovation in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit freisetzen – auch globale Probleme des Klimawandels lassen sich so lösen.“
Martin Treberspurg                       

Person:
DI Martin Treberspurg
1953  geboren in Wien
1977  Dipl.- Ing. der Architektur
1977  Patent für Fertigteil Shed-Dachsystem mit eingebauten zylindrischen Solarkonzentratoren zur Gewinnung von Sonnenwärme
1978  Patent für Wärmedämmender Fensterladen als Fassadenkollektor
1992  Dr. techn. in Wien, Dissertation und Rigorosum mit Auszeichnung bestanden
1982–1996  Universitäts-Assistent an der TU Wien, Institut für Hochbau, Abteilung Hochbau und Entwerfen bei Prof. Puchhammer
2001  Habilitation Fachgebiet „Thermische Aspekte der Bauphysik im Hochbau“
Univ. Doz. TU-Wien
1993–2018  Lehrbeauftragungen über "Solares Bauen und ökologisches Konstruieren" an der TU Wien, Donau-Universität Krems und FH Immobilienwirtschaft; Fachbereichsleitung Hochbau an der FH Wien für Bauingenieurswesen; Gastprofessur an der STU Bratislava, SK
2004–2018  Univ. Prof. für ressourcenorientiertes Bauen und Hochbau, Abteilung für Bautechnik und Naturgefahren, Universität für Bodenkultur (BOKU), positive Evaluierung 2006
seit 2011:  wissenschaftliche Leitung der Green Building Solution – universitäre Sommerakademie mit ÖAD