INTERVIEW: Ingrid Isabella Gumpinger

  • Ingrid Isabella Gumpinger
    Ingrid Isabella Gumpinger
    Bei der Erstellung des „Planungshandbuches für Krankenhäuser und Pflegeheime“ zeichnete sie für den Fachbereich Architektur verantwortlich. Ihre jahrzehntelange Expertise fließt heute auch in ihre Entwürfe für private Bauherren ein.© WEISS Magazin
  • Ingrid Isabella Gumpinger
    Ingrid Isabella Gumpinger
    In puncto Gesundheit und Bauen macht Ingrid Isabella Gumpinger so schnell niemand etwas vor. Sechs Jahre lang leitete sie die von ihr aufgebaute Architekturabteilung beim Wiener Krankenanstalten-verbund (KAV).© 
  • Planen und Bauen für Gesundheit und Wohlbefinden
    Planen und Bauen für Gesundheit und Wohlbefinden
    Mit elf Spitälern, drei Geriatriezentren und acht Pflegewohnhäusern zählt der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) zu den größten Gesundheitseinrichtungen Europas. Das Wiener AKH ist Teil des KAV und architektonisches Landmark im Stadtbild. © iStock - yuri4u80

In puncto Gesundheit und Bauen macht Ingrid Isabella Gumpinger so schnell niemand etwas vor. Sechs Jahre lang leitete sie die von ihr aufgebaute Architekturabteilung beim Wiener Krankenanstalten-verbund (KAV). Im Jahr 2002 gründete sie das Forschungs- institut „Gesund 2020“. Bei der Erstellung des „Planungshandbuches für Krankenhäuser und Pflegeheime“ zeichnete sie für den Fachbereich Architektur verantwortlich. Ihre jahrzehntelange Expertise fließt heute auch in ihre Entwürfe für private Bauherren ein.

Sehr geehrte Frau Gumpinger, das Thema Bauen und Gesundheit begleitet Sie schon fast Ihr gesamtes Berufsleben lang. Wie kam es zu dieser Spezialisierung?

Bevor ich mit meinem Architekturstudium startete, habe ich als Medizinisch-Technische Assistentin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gearbeitet. Damals wurde das Haus im zweiten Bezirk gerade um- und ausgebaut. Und ich habe fleißig mitgeredet, bis mich ein Assistenzarzt gefragt hat, warum ich eigentlich nicht Architektur studiere. Da hat es bei mir Klick gemacht, ich habe mein Biologiestudium beendet und auf Architektur umgesattelt. Und ich habe diese Entscheidung nie bereut.

Seit damals hat sich bei Gesundheitsbauten viel getan. Was sind die Herausforderungen für die Architektur heute?

Natürlich sieht die technische Ausstattung von Spitälern heute ganz anders aus, auch im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung oder in puncto Energieeffizienz gab es wesentliche Veränderungen – das aber gilt für alle Gebäudetypen. In der Grundstruktur und in den Funktionsabläufen hat sich in der Gesundheits- oder Spitalsarchitektur jedoch nicht viel verändert. Man braucht heute genauso OP-Schleusen und kurze Wege zu Nachbetreuung, Aufwachraum oder Intensivstationen, und für alles zweite Erschließungswege. Das sind aber im Prinzip ganz logische Abläufe – wenn man ein bisschen nachdenkt, ist es nicht so schwierig.

Sie haben mit der Gründung des Krankenanstaltenverbundes (KAV) dort ab 1994 die Architekturabteilung aufgebaut und über sechs Jahre geleitet. Was war Ihre Hauptaufgabe?

In erster Linie war ich für die gesamte Planungsvorbereitung verantwortlich, sprich die Grundlagenerhebung, das Erstel-len von Machbarkeitsstudien, der Ausschreibung von Architekturwettbewerben, Vorentwürfen, Raum- und Funktionsprogrammen. In der Regel ging es darum als Schnittstelle, Übersetzer zwischen Auftraggeber und Planer zu fungieren. Man muss die Bedürfnisse der Nutzer sehr genau kennen und für die Planer so exakt aufbereiten bzw. formulieren, dass man dann auch das bekommt, was man braucht – ohne die Architektur vorzugeben. Da habe ich enorm viel über Gesundheitsbauten gelernt – nicht nur was die Planung betrifft, sondern auch im Hinblick auf die internen Abläufe.

Im Jahr 2002 haben Sie das Forschungsinstitut „Gesund 2020 – Verein für Sozialwissenschaftliche Forschung“ gegründet? Was waren bzw. sind die wesentlichen Forschungsschwerpunkte?

Unser erstes Forschungsprojekt hat sich damit auseinandergesetzt, wie die Krankenhauslandschaft in Wien in Zukunft aussehen könnte oder sollte. Dabei ging es um eine Art Bedarfserhebung in Abhängigkeit von der Bevölkerungsentwicklung, der Demografie und der Stadtentwicklung. Wir haben beispielsweise auch den Standort des Krankenhaus Nord eingegrenzt.

Noch während Ihrer Tätigkeit beim KAV haben Sie auch an der Erstellung des Planungshandbuches für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mitgearbeitet. Ist das Planungshandbuch auch ein Leitfaden für die architektonische Gestaltung?

Rund zehn Jahre hat ein mehrköpfiges Expertenteam aus unterschied-lichen Disziplinen an diesem fünfbändigen Werk gearbeitet. Ich durfte den Part der Architektur dort einbringen. Es geht aber nicht vorrangig um Gestaltungsfragen, sondern ganz konkret um die Planungsgrundlagen bei der Errichtung von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Geriatriezentren. Es bietet Entscheidungshilfen für diese sehr komplexen Planungen. Intention für das Handbuch war und ist, die Umfeldbedingungen sowohl für die Patienten bzw. Bewohner als auch für das Personal zu verbessern. Heute gilt das Planungshandbuch als Standardwerk sowohl bei der Neuerrichtung als auch für Zu- und Umbauten und ist Grundlage für die Planung.

Welchen Stellenwert hat (gute) Architektur bei der Errichtung von Gesundheitseinrichtungen?

Das ist eine Frage, die immer wieder kommt. Wir haben uns im Rahmen des Forschungsprojekts „Verwaltetes Leben“ mit Schwerpunkt auf psychiatrische Krankenhäuser sehr intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt. Und natürlich hat Architektur einen Einfluss auf die Psyche. Ich denke, es gibt tatsächlich Räume, die nicht zum Gesundwerden beitragen, und es gibt Räume, die die Genesung unterstützen. Umgebungen, in denen man sich einfach wohlfühlt. Letzten Endes geht es auch hier immer um Komfort und Wohlbefinden.

Was sind die grundlegenden Parameter, die zum Wohlbefinden bzw. zur Gesundung beitragen?

Oft sind das ganz banale Dinge, wie zum Beispiel, ob ich ein Fenster aufmachen kann oder eine Klimaanlage habe. Helle, freundliche Erschließungszonen tragen auch zum Wohlbefinden bei oder ob man von seinem Bett aus aus dem Fenster sehen kann. Das alles beeinflusst das Wohlbefinden und damit auch den Heilungsprozess.

Gibt es bezüglich Gestaltung Vorgaben, wie Gesundheitseinrichtungen aussehen sollten?

Das müssen sich die Planer zum größten Teil selbst erarbeiten – und das ist auch die Kompetenz des Architekten. Aber so Dinge wie Parapethöhen haben sich bei Neubauten mittlerweile durchgesetzt und sind eigentlich ja auch eine ganz logische Schlussfolgerung. In unserer Studie „Gesund 2020 – Planen und Bauen im (denkmalgeschützten) Bestand“ haben wir auch die Parameter untersucht, die Wohlbefinden schaffen. Vieles davon kennt man auch schon aus dem Kindergarten- oder Schulbau.

Sie sind vor kurzem bei der Stadt Wien in Pension gegangen. Als freiberufliche Architektin arbeiten sie aber weiterhin. Können Sie Ihre Erfahrungen aus fast 30 Jahren Beschäftigung mit Gesundheitsarchitektur nutzen?

Sehr gut sogar. Ich betreue beispielsweise seit einigen Jahren ein Ärzte- zentrum bei all ihren Um- und Ausbauten. Aber auch im privaten Bereich wird Bauen und Gesundheit immer mehr zum Thema, beispielsweise bei Adaptierungen von privaten Häusern oder Wohnungen für altersgerechtes oder behindertengerechtes Wohnen. Da hilft mir meine Erfahrung aus dem Gesundheitswesen natürlich.

 Zahlreiche Studien zu Healthcare finden Sie in folgendem Beitrag: http://weissmagazin.at/material/125-healthcare

 

Person Arch. Dipl.-Ing. Dr. techn. Ingrid Isabella Gumpinger, Architektin, geb. 1953 in Wien
Studium – Ausbildung 1971–1973 Biologiestudium an der Universität Wien
  1988 Architekturdiplom bei Univ.-Prof. DI Ernst Hiesmayr
  1996 Ziviltechnikerprüfung für Architektur
  2006 Dissertation TU Graz (Univ.-Prof. DI R. Riewe)
Beruflicher Werdegang 1988 Eintritt in den höheren technischen Dienst im Magistrat der Stadt Wien
  bis 2016 bei der Stadt Wien tätig: MA 19, MA 37 – Baupolizei, Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), MA 21B, MA 48
   1995–2004 Mitarbeit am „Planungshandbuch für Krankenhäuser und Pflegeheime der Stadt Wien“
  2002 Gründung des Forschungsinstitutes Gesund 2020
  2003–2004 Forschungsprojekt „Gesund 2020“
  2004 Buch „Frauenarchitekturen“ (Verlag Anton Pustet)
  2005–2006 Forschungsprojekt „Verwaltetes Leben“