Meister der Organischen Architektur
Valerie W. Aschauer und Nikolaus Westhausser von STADTGUT architekten empfehlen das Werk des kubanischen Architekten Ricardo Porro.Â
Seine späteren Gebäude, die er ab der Mitte der 1980er Jahre in Frankreich zusammen mit seinem Büropartner Renaud de la Noue entwarf und realisierte, waren beispielgebend für eine Architektur der freien Formen.
Porro ist ein Meister der Skulpturen – nicht als Bildhauer, sondern vor allem als Architekt. Die Inspiration für seine organischen Bauwerke holte er sich aus der Natur, sie sind inspiriert vom menschlichen Körper, Tieren und Bäumen. Sie sind expressiv und zeichnen sich durch ein Höchstmaß an gestalterischer Fantasie aus. Zum Großteil bestehen sie aus mehreren kleinen Einheiten, die um einen oder mehrere Plätze situiert sind und auf diese Weise auch einen urbanistischen Charakter aufweisen.Â
Die von Ricardo Porro entworfenen Kunstschulen (Escuelas Nacionales de Arte) in Havanna – allen voran die Bildhauerschule und die Schule für Modernen Tanz – sind vergessene Pretiosen der Architekturgeschichte und der Ziegelarchitektur. Nach der Revolution in den 1960er Jahren suchte man in Kuba auch in der Architektur nach neuen Ausdrucksweisen und nach einer eigenständigen, kubanischen Identität. Porro fand diese in einer organischen und skulpturalen Formensprache. In seinem Werk bezieht er sich auf die afrikanische Kultur als Teil der kubanischen Wurzeln. Sein besonderes Markenzeichen sind Schalen und großformatige Gewölbe aus dem Baustoff Ziegel.             Â
Ricardo Porro
kubanisch-franzöischer Architekt, Maler und Bildhauer
(* 3. November 1925 in Camagüey, Kuba / †25. Dezember 2014 in Paris)
Nach dem Abschluss seines Studiums entwarf und baute Ricardo Porro mehrere Villen in Havanna, die von den Bauten Ludwig Mies van der Rohe inspiriert waren. Ende der 1950er Jahre bereiste er Europa und kehrte Anfang 1960 nach Kuba zurück, wo er im Auftrag von Revolutionsführer Fidel Castro zwei Kulturbauten errichtete, die beispielgebend für seine neue Architektur sind: die Schule für Modernen Tanz und die Kunstschule von Havanna. Die beiden skulpturalen Gebäude wurden aber nicht in seinem Sinne vollendet.Â
Mit steigendem Einfluss der Sowjets in Kuba fiel Porro in Ungnade und floh 1966 nach Frankreich, wo er an den Hochschulen in Paris, Lille und Strasbourg Kunst- und Baugeschichte lehrte. Mit einer einzigen Ausnahme – dem Kunstzentrum L’Or du Rhin in Liechtenstein (1969–1975) wurden seine eigenen Projekte in den Anfangsjahren seines französischen Exils aber nicht realisiertÂ
Erst durch den Zusammenschluss mit dem jungen französischen Architekten Renaud de la Noue im Jahr 1986, fand auch seine Architektur wieder öffentliche Anerkennung. Gemeinsam entwickelte und realisierte das Team Porro-de la Noue zahlreiche Bauwerke – hauptsächlich in der Île-de-France. Insbesondere für die französische Schulbehörde entstanden zahlreiche Bildungsbauten, wie unter anderem die Universitätsresidenz und die Realschule der Planstadt Cergy. In seine Heimat kehrte Ricardo Porro erst wieder Mitte der 1990er Jahre zurück, als er bei der Restaurierung seiner Schulgebäude mitwirken konnte.
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"Sein späteres Werk – vor allem in Frankreich – war durchaus Wegbereitung für die Architektur der freien Formen.“Â
Valerie W. Aschauer, STADTGUT architekten ZTKG
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