Schöne neue Bau(KUNST)-Welten
Eine der wohl einschneidensten technologischen Entwicklungen ist die Künstliche Intelligenz, die in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebt und sich in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen etabliert. Auch vor der Architektur macht die KI nicht halt: Sie verändert Entwurfsprozesse und hat das Potential, Planung und Bau zu optimieren.     Â
Das Traditions-Auktionshaus Sotheby’s versteigert bei seiner Online-Auktion im November dieses Jahres erstmals ein Gemälde, das nicht von einem Menschen, sondern von der ultrarealistischen humanoiden Roboterkünstlerin Ai-Da gemalt wurde. Das Porträt, das Alan Turing (1912–1954), einen der Gründerväter der modernen Computerwissenschaften, zeigt, wird mit einem Ausrufungspreis von rund 120 000 bis 180 000 Euro angeboten. Die Künstlerin gehört zu den höchstentwickelten Robotern der Welt, wird mithilfe von Künstlicher Intelligenz betrieben, hat hochauflösende Kameraaugen und verfügt über bionische Hände, die ihr das Malen ermöglichen. Dank KI-Sprachmodell ist Ai-Da auch in der Lage, ihr Werk selbst zu kommentieren: „Mit meinem Kunstwerk von Alan Turing gedenke ich seiner Errungenschaften und Beiträge zur Entwicklung von Computern und KI.“ Turing selbst hat bereits Anfang der 1950er Jahre – also lange vor dem Durchbruch der KI – vor den Auswirkungen und dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz gewarnt.
KI Boom
Künstliche Intelligenz beschreibt die Fähigkeit von Maschinen, sich Menschlichkeit anzueignen, sprich nicht nur einprogrammierte Anweisungen auszuführen, sondern Aufgaben zu erledigen, die (bislang) menschliche Intelligenz erfordert haben. Dazu gehört das Lernen aus Erfahrungen ebenso wie das ÂErkennen von Mustern oder auch das Abwägen von Konsequenzen und das Treffen von auf diesen Abwägungen basierten Entscheidungen. Soweit die Idealvorstellung – aber: KI erfindet nicht neu, sondern greift auf das zurück, was schon da ist und – im Âbesten Fall – kombiniert die Künstliche Intelligenz Dinge neu. Das heißt KI arbeitet mit der Schwarmintelligenz oder der Schwarmkreativität – wie es zum Beispiel beim Generieren von Architekturbildern der Fall ist – der großen Masse der Internet-Nutzer/innen. Dabei entsteht zwar (noch) nichts wirklich Neues, aber es findet eine Vernetzung unterschiedlicher Inhalte statt, wie sie beispielsweise konventionelle Suchmaschinen bislang nicht leisten können.Â
Hauptverantwortlich für den Boom im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist die exponentielle Steigerung von Rechnerleistungen, die es ermöglicht, riesige Datenmengen in kurzer Zeit zu generieren und zu verarbeiten und KI-Systeme damit ermächtigt kontinuierlich zu lernen. Basis dafür ist Âwiederum die unglaubliche Dichte an Daten, die mittlerweile über das World Wide Web offen zur Verfügung steht.Â
Architektur auf KnopfdruckÂ
In der Architektur kann KI auf vielfache Weise eingesetzt werden, um beispielsweise den Entwurfsprozess zu optimieren und die Effizienz zu steigern oder auch um bei der Entwicklung innovativer Gebäudekonzepte und -lösungen zu unterstützen.
Bildgenerierungs-Tools wie Midjourney können mittlerweile aus vergleichsweise kurzen Textanwendungen detaillierte Bilder erzeugen, die kaum noch von realen Fotografien zu unterscheiden sind. Grundlage dafür ist die Analyse von Millionen von Bildern aus dem Internet. Damit können bereits in der Anfangsphase eines Bauprojekts Entwurfsideen generiert, analysiert, weiterentwickelt oder verworfen werden. Die KI-Bilder fungieren dabei als eine Alternative zur Architekturskizze beim Brainstorming und der Konzeptionierung erster Gebäudegestaltungsparameter. Hilfreich können diese ersten Eindrücke auch für den Bauherren oder die Kommunikation von Architektur mit der Öffentlichkeit sein und die grundlegende Entwurfsidee veranschaulichen ohne hohen Zeit- und Kosteneinsatz für die Visualisierung.
Einschlägige KI kann aber auch genutzt werden, um im Sinne des parametrischen Entwerfens Grundrisse auf der Grundlage von Planungsparametern zu generieren. KI-Entwickler, wie beispielsweise ChatGPT, arbeiten aktuell an der Verbesserung ihrer Sprachmodelle für architektonische Anwendungen.
Generatives Design
Der Planer definiert dabei die Umgebungsbedingungen, die Raumaufteilung, Materialien und eine Kostengrenze und die KI erstellt Vorschläge, die diesen Kriterien entsprechen. Das unterstützt dank schneller Generierung von Gestaltungsvarianten die Entscheidungsfindung im Rahmen der Entwurfsplanung. Eine exemplarische Anwendung für generatives Design ist das Projekt „AMIE“ (Active Modular Intelligent Envelope), das von der Harvard Graduate School of Design in Zusammenarbeit mit dem Software-Hersteller Autodesk entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um ein Gebäude-Modellierungs-Tool, das eine automatische Anpassung des Entwurfs an verschiedene Wetterbedingungen ermöglicht. Die KI generiert dabei unterschiedliche Designvarianten und optimiert diese in Hinblick auf Energieeffizienz und Nutzer/innen-Komfort.
Ein bekanntes Beispiel für den Einsatz von KI und generativem Design liefert der Flugzeughersteller Airbus. Beim Kabineninterieur des Airbus A320 wurde KI genutzt, um Gewicht zu sparen und gleichzeitig die Materialeffizienz zu erhöhen.
KI-unterstütztes Building Information Modelling
Auch in der Bauwerksdatenmodellierung, also der Nutzung 3-dimensionaler Datenmodelle für den gesamten Gebäudelebenszyklus von der Planung bis zum Rückbau oder Abbruch hält die Künstliche Intelligenz Einzug. Im BIM wird KI genutzt, um beispielsweise Analysen durchzuführen und Vorhersagen zu treffen. So können historische Bauwerksdaten verwendet werden, um Prognosen zum Verhalten von Gebäuden in Hinblick auf Energieeffizienz oder in Bezug auf die Interaktion der Nutzer zu treffen. Auch können über KI-Algorithmen bereits in der Planungsphase potenzielle Widersprüche in der Bauwerksgestaltung erkannt werden. Anhand umfassender Gebäudesimulationen lassen sich nicht nur Leistungen des Gebäudes im Hinblick auf den Energieverbrauch treffen, sondern auch was die Raumakustik oder Nutzung von Tageslicht im Innenraum betrifft. Das spart Zeit und Geld, da teure Nachbesserungen oder Korrekturen in der BauÂphase vermieden werden.
Automatisierung komplexer Planungsaufgaben
Durch den Einsatz von KI-gestützten Planungswerkzeugen können komplexe Planungsaufgaben automatisiert werden. Diese Werkzeuge sind in der Lage, Baupläne zu analysieren, Genehmigungen zu überprüfen und Risiken zu bewerten. Dies reduziert den Zeitaufwand für die Planung. Zudem können potenzielle Probleme frühzeitig identifiziert und behoben werden. Einige der führenden Plattformen im Bereich automatisierter Planung sind „AutoCAD“, „Revit“ und „Navisworks“. Diese Softwarelösungen integrieren KI-gestützte Funktionen, die es ermöglichen, Daten aus verschiedenen Phasen des Projekts zu konsolidieren und in Echtzeit Anpassungen vorzunehmen.
KI und Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit ist seit langem ein Dauerbrenner in der Architektur. Mithilfe der KI sollen in Zukunft Gebäude noch nachhaltiger und energieeffizienter werden, indem der Energieverbrauch deutlich schneller als bisher simuliert und optimiert werden kann. Durch die Analyse von Wetterdaten, Sonneneinstrahlung oder dem Einfluss des Nutzerverhaltens sollen vergleichsweise treffsichere Vorhersagen getroffen werden und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der energetischen Performance gemacht werden können.
Beispielsweise im Bereich von „Green Building“, wo die künstliche Intelligenz in Zukunft eine tragende Rolle bei der Automatisierung übernehmen soll, um unnötigen Energieverbrauch nicht nur zu reduzieren, sondern tatsächlich komplett auszuschalten. Einflussfaktoren sind dabei neben dem Wetter die Belegung und aktuelle Nutzung eines Gebäudes, ebenso wie viele Menschen sich gerade darin befinden. Steht eine Büroimmobilie zum Beispiel übers Wochenende leer oder herrscht zur Weihnachtszeit im Einkaufszentrum besonders viel Andrang? Die Summe dieser komplexen Faktoren und Zusammenhänge soll in Zukunft durch selbstlernende Technologien – wie beispielsweise energyControl verknüpft und ausgewertet werden und anschließend entsprechend der Ergebnisse in die Gebäudeautomatisierung einfließen.Â
Eng verbunden mit dem Thema Nachhaltigkeit ist auch die Ressourcenschonung und auch hier weiß die Künstliche Intelligenz bestens Bescheid. So kann KI dabei helfen, Materialressourcen zu optimieren und Abfall zu minimieren. Durch die Analyse von Materialbedarf und Bauprozessen kann KI dazu beitragen, den Materialverbrauch zu senken und umweltfreundliche Alternativen vorzuschlagen. Damit sollen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, indem einerseits der ökologische Fußabdruck eines Bauprojekts reduziert wird und gleichzeitig damit auch die Kosten gesenkt werden.
Bauen auf/mit KI
Nicht nur in der Planung, auch auf der Baustelle selbst wird künstliche Intelligenz in Zukunft eine größere Rolle spielen. KIÂgestützte Systeme können während der Bauphase eingesetzt werden, um den Fortschritt zu überwachen und Abweichungen vom ursprünglichen Plan zu identifizieren. Sensoren und Kameras, die mit KI-Analytik kombiniert sind, ermöglichen eine Echtzeitanalyse der Baustelle, sodass Probleme sofort erkannt und behoben werden. Auch die Wartung von Gebäuden kann durch prädiktive Wartung optimiert werden, bei der KI analysiert, wann und wo Wartungsarbeiten notwendig sind.
Ein innovativer Ansatz ist die Kombination von Drohnen und KI-Analyse-Software zur Bauüberwachung. Drohnen können hochauflösende Bilder der Baustelle aufnehmen, die dann von KI-Algorithmen analysiert werden, um den Fortschritt und mögliche Probleme zu dokumentieren.
FazitÂ
Künstliche Intelligenz wird nicht wieder verschwinden, sondern ganz im Gegenteil immer weiter in sämtliche Lebensbereiche vordringen. In der Architektur hat sie das Potential, die Architekturproduktion grundlegend zu verändern. Durch die Optimierung des Entwurfsprozesses, die Verbesserung der Energieeffizienz und die Ãœberwachung von Bauprojekten kann KI dazu beitragen, Gebäude nachhaltiger, effizienter und innovativer zu gestalten. Wie KI die Arbeitswelten der Architekten verändern wird – ob als zusätzliches Planungstool wie CAD und BIM oder als übermächtige, kreative Gestaltungsallmacht – wird sich zeigen. Dass sie die Arbeitsweise und das Selbstverständnis der Architekturschaffenden verändern wird, davon kann wohl mit einiger Sicherheit ausgegangen werden.Â
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Hier gehts zur Studie des Frauenhoferinstituts zu „KI in der Bauwirtschaft“:
https://www.ki-fortschrittszentrum.de/de/studien/ki-in-der-bauwirtschaft.html