Eine runde Sache

  • DI Thomas Matthias Romm© Salomé Salis
  • Links: Sortenreine Trennung - Kabelmulde. Rechts: Glashäuser An den alten Schanzen - sortenrein getrennte Glasscheiben © Romm ZT
  • MedUni Campus Mariannengasse 4
    MedUni Campus Mariannengasse 4
    Trennen, sortieren und sinnvoll recyceln heißt die Devise von BauKarussell. Denn „alt“ bedeutet nicht automatisch „schlecht“ – ganz im Gegenteil. Viele Elemente von abgetragenen Gebäuden bergen eine ungeheure Qualität in sich und sind es wert, ein zweites Leben geschenkt zu bekommen. Das betrifft nicht nur die Verarbeitung und das Material, sondern auch die Ästhetik samt ihrer oft originellen Erscheinung und Nutzung. Warum also die Erde noch mehr ausbeuten, wenn ohnehin alles schon in Hülle und Fülle vorhanden ist?© 

Als einer der Ersten hat das BauKarussell begonnen, diesen Schatz zu bergen. Ãœber das Wie und Warum hat Barbara Jahn mit Architekt DI Thomas Romm, einem der Initiatoren des BauKarussells, gesprochen.

Weiss: Nachhaltigkeit, Klimawandel, Ressourcenknappheit, Erderwärmung – Begriffe, die sehr strapaziert sind, aber aus der Gegenwart nicht wegzudenken. Ist das BauKarussell eine Antwort auf all das?  

Thomas Romm: In der Tat sehen wir die Kreislaufwirtschaft als das geeignete Mittel Ressourcenautarkie und Klimaresilienz zu erreichen. Wir arbeiten seit vielen Jahren an regenerativen ­Prozessen im Bauen, ob an Circular Soil, Urban Mining oder der Erfindung des Social Urban ­Mining mit der Gründung von BauKarussell.   

Weiss: Sie beschäftigen sich schon seit 20 Jahren mit der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Wie hat sich diese aus Ihrer Sicht entwickelt?

Thomas Romm: Als ich mein Architekturstudium an der TU Wien mit einer Diplomarbeit zu recyclinggerechtem Bauen abgeschlossen habe, war das noch kein Thema für Architekten. Heute ist klar, dass unsere natürlichen Ressourcen kurz vor dem Ende stehen: Zum Beispiel werden 2054 alle natürlichen Kupferreserven erschöpft sein. Die Bauwirtschaft verbraucht 70 Prozent des gesamten Rohstoffaufkommens und verursacht 70 Prozent aller Abfälle in Österreich. Hier ist also der größte Hebel.

Weiss: Aus welcher Motivation heraus ist das Konzept für das BauKarussell entstanden?

Thomas Romm: Seit den frühesten Studien zu Abfallvermeidung am Bausektor wissen wir, dass verwertungsorientierter Rückbau mit der Sozialwirtschaft gut zusammengeht. Ausschlaggebend für die Gründung von BauKarussell war aber 2016 das Inkrafttreten der Recycling-Baustoffverordnung, die in § 5 (1) von Bauherren fordert, die Wiederverwendung von Bauteilen zu ermöglichen, welche von Dritten nachgefragt werden. Also haben wir diesen Dritten gegründet.

Weiss: Wen adressiert das BauKarussell, und wie funktioniert in der Folge die Abwicklung?    

Thomas Romm: BauKarussell leistet für den Erlös von Wertstoffen (i. d. R. Kupfer und Aluminium) sozialwirtschaftliche Arbeit im vorbereitenden Rückbau, also bei der Entfrachtung von Abbruchgebäuden. Zugleich bauen wir den Markt für Re-Use-Bauteile österreichweit auf. Dieses Geschäftsmodell ist meist kostenneutral und insofern für jeden Bauherrn interessant. Es zeigt sich aber, dass es vor allem Unternehmen mit einem hohen Grad an Social Corporate Responsibility sind, wie etwa die BIG, die hier auch bereit sind, ein Risiko zu tragen. Schließlich gibt es doch viele Unwägbarkeiten bei der Abschätzung der Erträge, der späteren Minderkosten beim Abbruchunternehmen oder der Re-Use-Vermittlung.  

Weiss: Es gibt einen unglaublich vielfältigen BauKarussell-Bauteilkatalog. Für wen konkret ist der gemacht?    

Thomas Romm: Wir arbeiten gerne B2B mit vielen etablierten Partnern am Sektor zusammen. Aber auch Privatkunden werden von BauKarussell bedient. Letztlich muss aber das Ziel sein, die Bau- und Immobilienwirtschaft für große Stückzahlen zu gewinnen. Bisher bauen wir nur bei Nachfrage überhaupt aus, Lager und Transport sind bei den geringen Wertdichten nicht rentabel.  

Weiss: Das Projekt geht weit über die reine Bauwirtschaft hinaus, denn Sie unterstützen auch soziale Projekte, die nachhaltig sind. Wie kamen Sie zu dieser Idee, die beiden Komponenten miteinander zu verknüpfen?

Thomas Romm: Der Sektor ist wie geschaffen für Beschäftigung, Integration und Qualifizierung von Menschen mit Hindernissen am Arbeitsmarkt: Die Arbeit ist vielschichtig und abwechslungsreich und schließlich kann ja nichts kaputt gehen.  

Weiss: Wie groß muss ein Objekt sein, dass es in diesem Aufwand sortenrein aufbereitet wird?     

Thomas Romm: Jedes Objekt mit mehr als 750 Tonnen Bau- oder Abbruchabfälle muss gesetzlich auf Schad- und Störstoffe, aber auch auf Wiederverwendung erkundet werden. Der Rückbau als Standardabbruchmethode erfordert die Rückführung eines jeden solchen Objektes auf seinen Rohbauzustand.                                                                                                                             

Weiss: Gibt es Elemente, die für die Wiederverwertung gar nicht mehr in Frage kommen? Und gibt es eine Altersgrenze im Hinblick auf das Baujahr?     

Thomas Romm: Je älter, desto besser: Für antike Baustoffe gibt es bereits einen funktionierenden Markt. In der Regel sind die Gebäude, die wir abtragen, weniger als 50 Jahre alt, nicht selten sind aber auch Bauteile dabei, die aus Sanierungen der letzten 15 Jahren stammen.

Weiss: Was kritisieren Sie am meisten an der Wegwerfgesellschaft? Und wie, glauben Sie, kann man Menschen zu mehr Re- und Upcycling motivieren?     

Thomas Romm: Da sind zum einen der enorme Treiber stetig steigender Grundstückpreise, die einen vorzeiten Abbruch begünstigen, und zum anderen die katastrophale Qualität des jüngeren Bestandes, ja sogar des Neubaus. 

Weiss: Wie kann man denn die Industrie ins Boot holen, die durch Recycling eigentlich ihre Produkte vielleicht nicht mehr so an den Mann bringt?     

Thomas Romm: Branchenübereinkunft und Konsens müssen erzielt werden, um Schlüsseltechnologien zur Marktreife zu bringen: Gips kann man zum Beispiel schon lange technisch aus „Abfall“ zurückgewinnen, aber großindustriell wird das bisher nicht eingesetzt. Jeder soll sagen, was getan werden kann, um gemeinsam zur Kostenwahrheit zu kommen. Die Taxonomie-Verordnung ist da ein Hoffnungsträger dieses Sichtbarmachens.

Weiss: Gibt es einen Punkt, an dem der Kreislauf für Sie wirklich geschlossen ist? Oder ist dieser unerreichbar?     

Thomas Romm: Der größte Abfallstrom sind ­Erdaushübe; hier ist es eigentlich leicht, mit mobiler Aufbereitung auf der Baustelle daraus Baustoffe zu gewinnen. Geschlossene Kreisläufe gibt es bisher aber nur bei hohen Wertdichten, also bei Metallen. Aber auch da ist die Rückgewinnung selten sortenrein.   

Weiss: Glauben Sie, sind Städte wirklich das Rohstofflager der Zukunft?    

Thomas Romm: Kein Zweifel, wir haben bereits mehr Rohstoffe verbaut, als natürliche Lager-stätten bleiben. Daher müssen wir deren ­langfristige Verfügbarkeit verbessern, die Dauerhaftigkeit, das Nachwachsen und die ­Umweltverträglichkeit erhöhen und endlich aufhören kurzzugreifen.       

Weiss: Haben Sie vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, das Konzept auch in anderen Städten zu etablieren?   

Thomas Romm: In Auftrag von ÖkoKauf Wien, mit dem wir schon lange verbunden sind, haben wir uns über ein Jahr intensiv mit anderen europäischen Städten über kreislaufwirtschaftliche Beschaffung ausgetauscht. Diese von der Europäischen Kommission auf den Weg gebrachte Big Buyer Initiative hat auch für uns zu neuen Ansätzen geführt: In Oslo arbeitet man intensiv an der Null-Emissions-Baustelle mit elektrisch betriebenen Baugeräten, in Rotterdam ist CO2-reduzierter Beton bereits in der öffentlichen Vergabe im Tiefbau gebräuchlich. Helsinki hat einen Landmass-Coordinator. In Jätkäsaari hat man drei Millionen Kubikmeter (U-Bahn-)Aushub für ein klimaresilientes Landgewinnungsprojekt verwertet. Das ist viermal so viel, wie wir in der Seestadt zur Betonproduktion verwendet haben. Es passiert also viel, wovon wir lernen können, aber unser Social Urban Mining hat auch große Beachtung gefunden. 

Weiss: Was war das Kurioseste, das Ihnen je untergekommen ist?   

Thomas Romm: Kurios, aber nicht lustig, war 2016 der Abbruch eines 2006 errichteten, vollautomatischen Hochregallagers für 10.000 Paletten. Ich hatte noch die Rechnung im Keller gefunden: Die Errichtung hatte 4,8 Millionen Euro gekostet; der Schrottwert hat 12.000 Euro betragen. Das war der Moment, in dem wir BauKarussell gegründet haben.  

Weiss: Das BauKarussell ist schon nach kurzer Zeit mit namhaften Preisen ausgezeichnet worden. Macht Sie das stolz?  

Thomas Romm: Ich bin stolz auf unsere Konsortialpartner von pulswerk und RepaNet, die mit ungeheurer Ausdauer und viel Geschick BauKarussell so weit gebracht haben. Stolz sind wir natürlich auch auf die Partner aus der Sozialwirtschaft: In Wien allen voran das DRZ, das Demontage- und Recycling-Zentrum, aber auch die Kümmerei von Job-TransFair. Inzwischen gibt es auch viele Partner in den Bundesländern, aktuell arbeiten wir in Tirol mit Schindel & Holz und issba am RAIQA-Projekt 

Weiss: Und wo soll die „Reise“ hingehen? 

Thomas Romm: Im Kreis.      

 

BAUKARUSSELL
BauKarussell ist der erste Anbieter für Social Urban Mining – verwertungsorientierter Rückbau mit sozialem Mehrwert und besonderem Fokus auf Wiederverwendung (Re-Use) von Bauteilen großvolumiger Objekte. Ziel ist es, die Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft und die integrative Beschäftigung im Rückbau zu fördern, indem Bauherren professionell durch die Rückbauplanung und -durchführung begleitet werden.
Um die Lücke der Praxis-erfahrung in Österreich zu schließen, entwickelte das Projektkonsortium BauKarussell beginnend mit Herbst 2016 sein Geschäftsmodell für ein Rückbau-Dienstleistungspaket und testete dies in der Pilot-phase ab dem Jahr 2017 in größeren Rückbau- und Bauvorhaben in Wien. Aus diesen Erfahrungen entstand BauKarussell in seiner heutigen Form als erster Anbieter am österreichischen Markt für Social Urban Mining.
Die an BauKarussell beteiligten Organisationen sind der Bauplaner Architekt Thomas Romm, die pulswerk GmbH (das Beratungsunternehmen des Österreichischen Ökologie-Institutes), RepaNet (die Interessenvertretung der vorwiegend sozialwirtschaftlichen Re-Use-Betriebe Österreichs) sowie die beiden sozialwirtschaftlichen Betriebe Caritas SÖB (Wien) und das Demontage- und Recyclingzentrum DRZ der Wiener Volkshochschulen GmbH, welche im Auftrag und mit Mitteln des AMS Wien agieren.

PERSON:
DI Thomas Matthias Romm
forschen planen bauen ZT

* 1965 in Eschweiler / Aachen

Studium der Architektur in Wien und Berlin

Diplomarbeit über „Recyclinggerechtes Bauen“

seit 2010 Zusammenarbeit mit Ronald Mischek

2012–2013 Dozent im Modul Grundlagen energieeffizienten Bauens, im Studiengang Green Energy, an der academia nova, Schwechat (Dualer Bachelor-Studiengang)

seit 2017 Lektor an der Akademie der Bildenden Künste am Institut für Kunst und Architektur, an der Plattform ESC (Ecology Sustainability Cultural Heritage), Vorlesung: Ökologie für Architekten

2013 Nominierung für Staatspreis

Ingenieurconsulting

2018 Umweltpreis der Stadt Wien für BauKarussell

www.romm.at

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