Wohnen im Wandel

  • Container City in London
    Container City in London
    Wohnen im Container ist sicher nicht jedermanns Sache, die Container City im Osten von London überzeugt aber mit extrem niedrigen Kosten bei vergleichsweise gutem Wohnkomfort. © Cmglee
  • Modernes Wohnen in Teheran
    Modernes Wohnen in Teheran
    Wie flexibles Wohnen in der Zukunft aussehen kann, zeigt ein Wohnbauprojekt in Teheran vom iranischen Architekturbüro nextoffice. © Salar Motahri
  • Bike and Swim in Wien
    Bike and Swim in Wien
    Wohnen mit Thema: Im Wohnprojekt „Bike & Swim“, geplant von Lautner + Kirisits Architekten, verzichtet die Mehrheit der Bewohner auf ein Auto. Die eingesparten Flächen werden für Gemeinschafts- und Freiräume genutzt. © OpenHouseWien
  • Wohnprojekt in Wien-Leopoldstadt
    Wohnprojekt in Wien-Leopoldstadt
    Gemeinsames Eigentum am Haus, Selbstverwaltung als Wohnheim, statt Garagen Gemeinschaftsräume im Wohnprojekt Wien in Wien-Leopoldstadt, geplant von einszueins architektur.© Kurt Hoerbst
  • Wohnen auf Zeit
    Wohnen auf Zeit
    Mit ihren Serviced Apartments „room4rent“ reagiert das Österreichische Siedlungswerk auf das gestiegene Mobilitäts-verhalten der Gesellschaft. © Ã–SW
  • Wohnen im Sonnwendviertel
    Wohnen im Sonnwendviertel
    Wohnen in Gemeinschaft im Wiener Sonnwendviertel entwickelten s&s Architekten mit „so.vie.so“, bei dem die Wohngemeinschaft im Mittelpunkt steht und das sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltig ist. © Kurt Hoerbst

Die klassische Dreizimmerwohnung hat ausgedient. Neue, flexiblere Konzepte sind gefragt. Die Bandbreite reicht vom Singlehit in der City über Wohnraum auf Zeit und Themenwohnanlagen bis hin zu Baugruppenmodellen, bei denen die Bewohner selbst das Planungs- und Bauzepter in die Hand nehmen und ihre ganz eigenen, individuellen Vorstellungen vom Wohnen in die Tat umsetzen.

Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit waren Arbeits- und Lebenswelten einem so schnellen Wandel unterworfen wie heute. Das wirkt sich unmittelbar auch auf die Art und Weise aus, wie wir in Zukunft wohnen wollen und wie viel Wohnen sich jeder Einzelne (noch) leisten kann. Was bringt die Zukunft und wie werden Bauträger, Architekten und Planer baulich darauf reagieren?

Wie Herr und Frau Österreicher ihre Zukunft im Jahr 2040 sehen, war Inhalt einer repräsentativen Umfrage des Online-Marktforschungsunternehmens „meinungsraum.at“ im Auftrag der österreichischen Immobilienrendite AG.
Befragt wurden Erwachsene im Alter von 18 bis 50 Jahren. Wie werden wir leben, wohnen und arbeiten, wollten die Meinungsforscher wissen. „Eines gleich vorweg. Die Österreicher blicken pessimistisch in die Zukunft“, leitete Studienautorin Evelyn Kaiblinger die Präsentation der Studie zu Jahresanfang ein. Dabei sehen Frauen ihre Zukunft weniger rosig als Männer (66 Prozent gegenüber 55 Prozent). Besonders desillusioniert sind die Jungen zwischen 18 und 29 Jahren. Knapp 70 Prozent sehen ihre Zukunft düster. Der durchwegs positiven Einschätzung in Bezug auf das Privatleben steht die Sorge vor Armut und massiven Einschränkungen im Alter gegenüber.

Wohnen 2040

Überraschend anders sieht das in Bezug auf das Wohnen aus: 43 Prozent der Befragten wohnen derzeit zur Miete, 40 Prozent im Eigentum in einem Haus oder einer Wohnung. In 25 Jahren wollen 64 Prozent im Eigentum leben und nur noch 31 Prozent zur Miete. 55 Prozent würden ein Leben auf dem Land bevorzugen, 37 Prozent in der Stadt. Und rund sechs Prozent träumen vom Auswandern und einem Leben im Haus am Meer.

Multigrafie

Das Leben ist weniger planbar, damit sinkt auch die Bereitschaft, sich für den Erwerb von Wohnungseigentum auf Jahrzehnte hinaus zu verschulden. Christina Varga vom Zukunftsinstitut Österreich spricht in diesem Zusammenhang auch vom Wandel der klassischen Biografie zur Multigrafie. „Das beschreibt einen Lebenslauf, der mehr Veränderungen, Brüche und Diskontinuitäten aufweist als die Lebensläufe der früheren Generationen.“ Entsprechend dieser Multigrafien ändern sich auch die Wohnvorstellungen im Laufe eines Lebens des Öfteren. Hinzu kommt die gestiegene Mobilitätsbereitschaft – selbst schon in jungen Jahren. Kindheit, Ausbildung, Studium, Beruf und Pension finden nicht mehr vorrangig an ein und demselben Ort statt. Der Mobilitätsbedarf der Arbeitswelt verlangt nach flexibleren Wohnungsangeboten, die derzeit jedoch kaum noch zur Verfügung stehen. Der Flexibilitätsanspruch bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf die kurzfristige Verfügbarkeit, sondern auch kurzfristig kündbare Mietverträge.

Es wird eng in der City

Alternativer Wohnraum muss auch auf die Tat-sache reagieren, dass in den wachsenden städtischen Ballungszentren Grund und Boden immer teurer wird. Damit steigen auch die Quadratmeterpreise für Wohnraum in der Stadt. Für immer mehr Menschen wird die Leistbarkeit des Wohnens zu einem Problemthema. Das Schrumpfen der Haushaltsgrößen und die wachsende Anzahl von Singlehaushalten verschärfen die Situation zusätzlich. Verstärkt wird dieser Effekt auch durch die erhöhte Lebenserwartung und den Wunsch rüstiger Senioren, ihren Lebensabend selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu verbringen.
Nicht zuletzt schlägt sich auch die Ökologisierung der Gesellschaft in den Wohnwünschen nieder. Nachhaltig ressourceneffizient errichtet mit höchster Energieeffizienz und entsprechend niedrigen Betriebskosten – das ist nicht nur die Vorgabe der EU als Beitrag zum Klimaschutz, sondern entspricht immer mehr auch der Nachfrage aufseiten der Wohnungssuchenden. Günstige Mietwohnungen und kompakte Singleapartments – eingebettet in einen urbanen Kontext und mit ansprechender (sozialer) Infrastruktur-, flexible Raum- und Nutzungskonzepte, Kurzzeitwohnen oder Wohnlösungen, die das Wohnen in Gemeinschaft ermöglichen, werden in Zukunft sicher noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Wohnen in urbaner Dichte

Weltweit lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Städten, in Europa gar über 70 Prozent. Wo die Nachfrage hoch und das Angebot begrenzt ist, steigen die Quadratmeterpreise und sinken die Wohnflächen. In Wien schreibt die Bauordnung beispielsweise eine Mindestgröße von 30 Quadratmetern je Wohneinheit vor. In den großen Metropolen der Welt, wie beispielsweise in Paris, liegt die Mindestquadratmeterzahl sogar noch darunter.
In New York wurde sie sogar vor kurzem herabgesetzt. Auf eine Million Singleapartments mit entsprechendem Preis kommen hier 1,4 Millionen Wohnungssuchende. Deshalb hat die New Yorker Stadt-verwaltung die Mindestwohnfläche von ursprünglich rund 40 auf knapp 20 Quadratmeter halbiert. Und die Wohnbauträger reagieren darauf, wie beispielsweise mit stapelbaren Wohnmodulen in der Größe von knapp 23 bis 35 Quadratmeter. Ähnlich ist auch das Konzept der Container City I und II im Osten von London, von Urban Space Managements. Ausrangierte Schiffscontainer werden hier zu Wohnungen und Büros umgebaut und aufeinander gestapelt. Die Container City zeichnet sich dabei nicht nur durch vergleichsweise niedrige Mieten, sondern auch durch ihre flexiblen Erweiterungsmöglichkeiten aus.

Wohnen – ganz Smart

Zu so extremen Lösungen wie New York oder London greift man in Österreich nicht. Aber auch in der wachsenden Stadt Wien sind alternative Wohnideen gesucht. „Smart Wohnen“ lautet eine der Antworten auf Wohnraumverknappung und steigende Mietpreise. Die Stadt reagiert damit auf die schrumpfenden Haushaltsgrößen, die von derzeit rund 1,1 Millionen Einpersonenhaushalten bis zum Jahr 2050 laut Prognose der Zukunfts-forscher auf 1,7 Millionen anwachsen sollen. Die entsprechenden Wohneinheiten zeichnen sich durch eine optimale Flächenausnutzung aus. „Die Wohnungen verfügen über intelligente, effiziente Grundrisslösungen und bringen hohe Qualität mit geringen Mieten in Verbindung“, so Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Die Finanzierungskosten belaufen sich auf maximal 60 Euro pro Quadratmeter bei einer gedeckelten Bruttomiete von unter 7,50 Euro auf den Quadratmeter. Das Angebot richtet sich insbesondere an Jungfamilien, Paare, Alleinerzieher und Singles. Mittlerweile wird in Wien rund ein Drittel aller geförderten Wohnungen als Smart-Wohnungen errichtet.

Wohnen auf Zeit

Auf die gestiegene Mobilität der urbanen Gesellschaft hat sich das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) eingestellt und mit „room4rent“ einen hierzulande neuen Wohnungstypus entwickelt, der speziell auf die neuen Wohnanforderungen ausgerichtet ist. Die Appartements verfügen über eine Wohnfläche von 35 bis maximal 88 Quadratmeter, sind durchgängig möbliert und nutzungsflexibel gestaltet. Alle Wohnungen sind serviciert, das heißt die Bewohner können online oder über den Conciergeservice den Fitnessbereich oder die Sauna dazubuchen, Gleichzeitig werden aber auch Dienstleistungen wie Wäsche waschen oder Reinigung angeboten. Die Mindestmietdauer beträgt zwei Monate und kann bis auf maximal zwei Jahre verlängert werden.

Wohnen mit Thema

Nicht nur die Mobilität kann ein verbindendes Element sein. In den vergangenen Jahren sind einige Wohnanlagen entstanden, die auf die Bedürfnisse spezieller Interessengruppen oder „Subkulturen“ maßgeschneidert sind. Oft sind es ökologische Aspekte, die die Nutzer miteinander verbinden. Wie zum Beispiel bei der autofreien Mustersiedlung oder der Bike-City. Die Mieter verpflichten sich mit dem Mietvertrag, auf die Anschaffung eines eigenen Autos zu verzichten. Als Alternative gibt es Car-Sharing-Konzepte. Die für Garagenbauten eingesparten Flächen und Kosten werden in großzügigere Freiflächen und/oder in Gemeinschaftsflächen, Fahrradwerkstätten und dgl. investiert. Eines der jüngsten Projekte dieser Art ist die Wohnanlage „Bike & Swim“, welche die Gesiba als Bauträger nach den Plänen des Architektenteams Lautner + Kirisits auf dem ehemaligen Nordbahnhofgelände in Wien realisiert. Auch hier wird auf das eigene Auto weitgehend verzichtet, die Einsparungen wurden in Gemeinschaftseinrichtungen investiert, wie beispielsweise einen großzügigen Spa-Bereich in der Dachgeschoßzone, Sauna, Schwimmbad und Sonnendecks auf dem Dach.

Wohnen in Gemeinschaft

„Gemeinsam statt einsam“, lautet das Konzept für die neuen „Wohngemeinschaften“. Wohnen in Gemeinschaft gewinnt im urbanen Kontext zunehmend an Bedeutung, damit steigt auch das entsprechende Wohnungsangebot. Ganz wie in einem Dorf wird innerhalb der Wohnhausanlage nicht auf die individuelle Privatsphäre verzichtet, gleichzeitig aber trotzdem das Miteinander groß geschrieben. Vielfältige Kommunikationszonen und Gemeinschaftseinrichtungen sorgen dafür, dass die Nachbarn sich nicht nur kennen, sondern auch gemeinsame Aktivitäten ausüben. Das Schaffen von Gemeinschaftsräumen entspricht dem Shareness-Trend, wie ihn auch das Zukunftsinstitut in seiner Studie „Wohnen 2025“ beschreibt und dessen zentrale Botschaft das Teilen und nicht das Besitzen ist. Übertragen in gebaute Realität zeigt sich dieser Trend in kleineren Gemeinschaftsräumen in jedem Stockwerk für unmittelbare „wohnergänzende“ Funktionen, wie Kinderbetreuung, Hauswirtschaft, Medienraum, Lernen, Spielrunden, Seniorentreffs etc.

Wohnen – selbst gemacht

Vom Wohnen in der Gemeinschaft ist der Schritt zum gemeinsamen Planen und Bauen und der Selbstverwaltung nicht mehr weit. Immer mehr Baugruppen nehmen als Alternative zum institutionellen Wohnbau das Wohnen bzw. die Art und Weise, wie sie in Gemeinschaft wohnen wollen, mittlerweile selbst in die Hand und bauen sich ihre Zukunft des Wohnens selbst.