Der schiefe Turm von Abu Dhabi

  • Abbildung 1
    Abbildung 1
    Das Vordach erstreckt sich von den angrenzenden Messehallen über die Hotelzufahrt und schmiegt sich dann an die Hülle des Turms bis zur großen Freiterrasse im 18. Geschoß.© 2010 Explorer Publishing
  • Abbildung 2
    Abbildung 2
    Das Hotel bietet allen erdenklichen Luxus. Dazu gehört auch der sensationelle Ausblick durch die raumhohen Panoramaverglasungen. © 2010
  • Abbildung 3
    Abbildung 3
    35 Stockwerke hoch reckt sich der Capital Gate Tower am Persischen Golf in den Himmel. Mit seinen 18 Grad Neigung ist er der schiefste Turm der Welt.© 2010
  • Abbildung 4
    Abbildung 4
    Eine spezielle Gitternetzstruktur an der äußeren Hülle und eine zweite im Inneren im Bereich des Foyers ermöglichen es, dass die inneren Flächen frei von Säulen und Stützen gehalten werden konnten. Alle Zwischen- und Trennwände wurden in Leichtbauweise als Trockenbaukonstruk-tionen errichtet. © 2010

Mit seinen vergleichsweise „bescheidenen“ 160 Metern ist der neue Capital Gate Tower in Abu Dhabi zwar nicht das höchste Gebäude der Welt, trotzdem schaffte er den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. Denn mit einer Neigung von 18 Grad ist er mit Abstand das weltweit schiefste Gebäude. Aber auch abgesehen davon weiß der arabische schiefe Turm mit einigen Superlativen aufzuwarten.

Mit seinen knapp vier Grad Neigung kann letzterer jedoch kaum mit dem arabischen Hotel- und Büroturm mithalten, der eine Neigung von 18 Grad aufweist und damit derzeit den Weltrekord als schiefstes Gebäude hält. Im Unterschied zum Schiefen Turm von Pisa ist die Schräglage des Capital Gate Towers jedoch geplant und nicht der Senkung der Fundamente geschuldet. 490 Stahlbetonpfeiler, die bis zu 30 Meter tief in den Sand ragen, halten das neue Wahrzeichen am Persischen Golf in Position. Entworfen wurde der Turm vom Dubai Studio des britischen Planungsbüros Robert Matthew Johnson Marshall (RMJM architects). Bauherr ist die Abu Dhabi National Exhibition Company (ADNEC).

GEWAGTE KONSTRUKTION

Rund 24 Meter kragt das letzte Vollgeschoß über die Grundfläche hinaus. Bis zum 12. Stockwerk reckt sich der Turm über einer polygonalen Grundfläche gerade in die Höhe, erst danach geht er in Schräglage. Dabei rutschen die einzelnen Geschoßdecken um jeweils 30 bis 140 Zentimetern aus der Mittelachse gegen Westen. Möglich macht diese waghalsige Konstruktion eine stählerne Gitternetzstruktur. Rund 7.000 Tonnen Stahl wurden alleine für das tragende Skelett verbaut, das das gesamte Gewicht der einzelnen Geschoße trägt und es darüber hinaus möglich macht, dass die inneren Flächen frei von Säulen, Stützen oder Unterzügen bleiben. Im Inneren des Gitterschlauchs befindet sich ein gerader Versorgungsschacht mit Liften und Fluchtstiegenhäusern. Dieser wurde mit einer Krümmung entgegen der auskragenden Ge-schoße errichtet. Erst im Zuge der vollständigen Fertigstellung des Rohbaus wurde der Kern vom Gewicht der einzelnen Geschoße ins Lot gebogen. Für die entsprechende Elastizität sorgen rund 10.000 Tonnen Stahlarmierungen, eingegossen in 15.000 Kubikmeter Beton. Die Außenhülle des 35 Stockwerke hohen Wol-ken-kratzers umspannt eine Fläche von 21.000 Quadratmetern und wurde mit 720 vorgefertigten rautenförmigen Fassadenelementen, den soge-nan---nten Diamanten verkleidet. Jedes Element besteht seinerseits selbst aus 18 dreieckigen Glasflächen und 33 einzelnen Stahlstreben. An der ge-sam-ten Fassade wurden in Summe 23.760 individuelle Stahlstäbe und 12.960 Isolierglasscheiben verbaut.

ZIMMER MIT AUSSICHT

Ab dem 17. Geschoß beherbergt das Capital Gate ein Fünf-Sterne-Hotel der Hyatt-Gruppe mit 189 exklusiven Zimmern, davon 25 Suiten, die allen erdenklichen Luxus bieten. Dazu zählt auch der sensationelle Ausblick aus der Vogelperspektive auf den Persischen Golf. Beim Blick durch die vom Boden bis zur Decke vollverglasten Panoramafenster an der westlichen Gebäudeseite hat man den Eindruck, über dem Boden zu schweben. Denn durch den hohen Neigungswinkel hat man keine Sicht auf die darunterliegenden Etagen.

Durch die gebogene Form des Gebäudes ändern sich Größe und Zuschnitt der Grundfläche von einer Etage zur nächsten. Schiefe Winkel und schräg verlaufende Wandanschlüsse sind im Capital Gate Tower keine Ausnahme, sondern Standard, und stellten entsprechend hohe Ansprüche an den Innenausbau und die Innenraumgestaltung. Zahl-lose maßgeschneiderte Lösungen waren sowohl bei den Anschlüssen an die Vorhangfassade oder den Betonkern erforderlich, als auch im Bereich der gewaltigen, durch das gesamte Gebäude verlaufenden, vertikalen Versorgungsschächte. Höchste Anforderungen galt es dabei in Bezug auf die Sicherheitseinrichtungen, speziell den Brandschutz im Hochhaus, zu erfüllen. Alleine im Hotelbereich wurden in einer Bauzeit von knapp zweieinhalb Jahren über 10.000 Laufmeter Me-tall-pro-file sowie rund 83.000 Quadrat-meter Trockenbauplatten für die Zwischen-, Trennwände und Vorsatzschalen verbaut.

Der Gast merkt von den aufwändigen Konstruktions- und Ausführungsarbeiten sowie der umfassenden Technik, die hinter der luxuriösen Hülle steckt, freilich nichts. Vielmehr beeindrucken Design und Architektur, wie zum Beispiel der Schild aus Glas und Stahl, der sich als riesiges Vordach von den angrenzenden Messegebäuden über den Zufahrts-und Eingangsbereich wie ein Umhang an die Ostfassade schmiegt und bis in das 19. Geschoß reicht. Dort oben in luftiger Höhe von über 80 Metern verbirgt sich dahinter der Outdoor-Pool, der zum hoteleigenen Sky-Spa gehört. Nicht weniger eindrucksvoll ist das Hotel-foyer, das sich wie ein Turm im Turm über rund 60 Meter bis unter die gläserne Dachkuppel erstreckt und dabei nicht nur den Blick in den Himmel freigibt, sondern auch die Sicht auf die innere Tragstruktur mit ihrem dreiecks- und rautenförmigen Konstruktionsraster. In den Abend- und Nachtstunden macht das Capital Gate mit seiner in die Fassade integrierten LED-Beleuchtung als blau funkelnder Diamant seinem Ruf als neues Wahrzeichen am Persischen Golf alle Ehre.

F a k t e n 

Capital Gate Tower
Bauherr: Abu Dhabi National Exhibition Company (ADNEC), Abu Dhabi/UAE
Architekt: RMJM Architects, Abu Dhabi
Generalunternehmer: Al Habtoor Leighton, Abu Dhabi
Konstruktion/Stahlbau: Waagner-Biro AG, 1220 Wien
Trockenbau: Chronicle Interiors Baubeginn: 2007 Eröffnung: Dezember 2011

G e b ä u d e d a t e n

Höhe: 160 m
Neigung: 18 Grad
Stockwerke: 35 Weiteste
Auskragung: 24 m Verbauter Stahl: 21.500 t
Fassade:
Fassadensegmente 720 Stk.
Stahlverstrebungen 23.760 Stk.
Glasscheiben 12.960 Stk.
Glasfläche 24.000 m2
Trockenbau:
Gipskartonplatten 83.000 m2
Metallprofile 10.000 lfm

www.capitalgate.ae