PORTRAIT: Mit Leidenschaft und Sinn für Architektur

  • Abbildung 1
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    Wolfgang Gleissner, einer der beiden Geschäftsführe der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), steht zu seiner Verantwortung als Bauherr. © Pflügl
  • Abbildung 2
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    „Die Nutzer müssen sich mit dem Gebäude identifizieren können, und alle Wohlfühl-kriterien müssen erfüllt werden. Wichtig ist dabei jedoch auch, dass Kosten und Nutzen in Relation stehen.“ Wolfgang Gleissner © Pflügl
  • Abbildung 3
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    „Der Vorteil von intelligenter Architektur ist auch, dass sie mit weniger Fläche auskommt und nicht gezwungener Maßen teurer ist.“ Wolfgang Gleissner © Pflügl

Wolfgang Gleissner, einer der beiden Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft, sprüht vor Leidenschaft und Begeisterung, wenn er über das Bauen spricht. Architektur hat für den Bauingenieur einen hohen Stellenwert, und er ist sich als Bauherr seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst – wie er im Interview mit WEISS verrät.

Als größter Bauherr Österreichs hat die BIG eine bedeutende Vorbildfunktion. Welchen Stellenwert hat dabei die Architektur?

Architektur hat einen sehr hohen Stellenwert. In unseren Gebäuden befinden sich pro Tag über 500.000 Menschen und noch einige mehr im Umfeld. Wir erreichen sechs Prozent der Bevölkerung. Wir sind verpflichtet, ganzheitlich zu denken, deshalb hat dabei Nachhaltigkeit auch eine besondere Bedeutung. Architektur ist für mich weit mehr als nur Gestaltung. Die gesamtheitliche Betrachtungsweise ist mir sehr wichtig – wir bauen für Menschen und Funktionen. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit müssen erfüllt werden, das ist auch zugleich der Auftrag an die Planer. Die Nutzer müssen sich mit dem Gebäude identifizieren können – siehe Campus WU –, und alle Wohlfühlkriterien müssen erfüllt werden. Wichtig ist dabei jedoch auch, dass Kosten und Nutzen in Relation stehen.

Vom ehemaligen Verwalter zum Entwickler – was bedeutet für Sie persönlich, nicht zuletzt als Bauingenieur, Architektur?

Ich habe keine Berührungsängste mit Architekten. Die beiden Disziplinen müssen sich ergänzen, brauchen einander, die meisten Aufgaben können nur gemeinsam gelöst werden. Ich erwarte von beiden Seiten Verständnis – es ist nicht nur alles Konstruktion, sowie auch nicht nur Gestaltung ohne Rücksicht auf Statik. Die Differenzierung ist leider immer stärker geworden, das ist schade. Denn z. B. auch im Verkehrswegebau hat Architektur ihren Stellenwert

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Kritik, Sonderbauten wie z. B. ein Gefängnis, muss kein Architekturhighlight sein. Wie sehen Sie das?

Vor kurzem haben wir das Justizzentrum Korneuburg eröffnet, mitten in der Stadt, das steht im öffentlichen Raum. Es geht nicht nur um den Innenraum, sondern um eine spannende, intelligente Kombination von beidem, dem Innen- wie auch dem Außenraum. Einen wesentlichen Beitrag leisten hier auch die Kunstprojekte, die Identität und Atmosphäre schaffen – diese Aspekte erachte ich als sehr wichtig, denn wir bauen in der Regel Gefängnisse in der Stadt und nicht auf der grünen Wiese. Aber es geht auch um die Menschen, die im Gefängnis arbeiten oder eingesperrt sind. Ein Gebäude leistet seinen Beitrag zum Wohlfühlen, zum Verhalten der Menschen – die gestalterischen Ansprüche bewegen Menschen, positiv wie auch negativ. Ich möchte das Thema Architektur nicht delegiert wissen, es ist eine gemeinsame Verantwortung – 90 Prozent unserer Lebenszeit befinden wir uns in geschlossenen Räumen. Architektur ist immer mit Wohlbefinden verbunden.

Haupttätigkeit der BIG sind Sanierungen und Erweiterungen. Umnutzungen sind dabei häufig gewaltige Herausforderungen. Wie stehen Sie zu der Meinung von LH Pühringer, der unlängst meinte, ehemalige Militärgebäude sind nicht für die Unterbringung von Asylanten geeignet?

Wenn man will, kann man aus jedem Haus etwas machen. Sicher sind die Strukturen bei Kasernen zurzeit auf militärische Nutzung fokussiert. Doch keine Kaserne ist wie die andere. Wir haben vor kurzem eine in Güssing gebaut, die hat natürlich einen anderen Charakter als 100 Jahre alte Bauten. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Umnutzung gibt es in der Argentinierstraße. Dort werden wir aus einer alten Schule, die später für die Verwaltung genutzt wurde, einen Wohnbau realisieren. Wenn die Tragstruktur in Ordnung ist, sehe ich immer einen Weg für die Anpassung eines Gebäudes an geänderte Rahmen-bedingungen.

Wie realistisch ist leistbares Wohnen – mit den hohen Ansprüchen an Architektur?

Die Dimension ist schwer greifbar. Was ist leistbares Wohnen? Es wird halt auch ein wenig überstrapaziert, denn welchen Stellenwert hat Wohnen für den Einzelnen? Manche wollen lieber ein tolles Auto als eine schöne Wohnung. Daher ist die Frage: Welche Fläche brauche ich für meine Bedürfnisse? Das ist sehr individuell, und hier ist viel Spielraum für neue Zugänge. Man muss sicher auch hinterfragen, ob alle Regelwerke oder Normen wirklich notwendig sind oder wirklich immer so streng ausgelegt werden müssen. Wir bekommen immer mehr Bestimmungen, deren primäres Ziel die Erhöhung von Sicherheit ist. Andererseits wird Bauen teilweise dadurch auch komplexer und teurer. Beispielsweise soll die Bildung von Legionellen durch das Halten von Warmwasser auf einer bestimmten Temperatur verhindert werden. Das widerspricht aber wiederum den Energieeffizienzansprüchen. Wenn Normen jedoch als Richtlinie betrachtet werden, kann mit Sicherheit effizient und leistbar gebaut werden – und Innovationen würden noch dazu gefördert werden

Wie komme ich als junger Architekt an einen Auftrag der BIG?

Das Vergaberecht zwingt uns zu Verhandlungen. Zu einem Verhandlungspartner komme ich über einen Wettbewerb. Egal ob jetzt ein- oder zweistufiger Wettbewerb – jeder hat die gleiche Chance. Sicher, sobald wie bei nicht offenen Wettbewerben, Referenzen verlangt werden, ist es für junge Büros schwieriger.

Ist der Generalunternehmer für Sie eine sinnvolle Organisationsform?

 Ja, weil ich gerne einen Ansprechpartner habe. In den meisten Fällen ist diese Art zu bauen vorteilhaft, weil alle Themen bei einer Person oder einem Unternehmen zusammenlaufen.

Welche Verbesserungen sehen Sie durch den Architekturbeirat der BIG?

Nicht nur im eigenen Saft zu braten, sondern auch einen Blick von außen zuzulassen. Wir diskutieren in diesem Gremium unterschiedlichste Themen sehr intensiv. Generell genießen Transparenz, eine möglichst breite Streu-ung der Aufträge und objektive Ergebnisse Priorität in der BIG. Der Beirat trägt mit Sicherheit einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele bei.

Bedroht der Spardruck gute Architektur?

Ich kann den Spardruck, den Sie ansprechen, so nicht bestätigen. Wir investieren seit der Gründung der BIG rund das doppelte Volumen – in Neubau, Sanierung, Erhaltung wie auch Erweiterung. Wir arbeiten auf sehr hohem Niveau. Unabhängig davon hinterfragen wir laufend den Raumbedarf. Der Vorteil von intelligenter Architektur ist auch, dass sie mit weniger Fläche auskommt und nicht gezwungenermaßen teurer ist.

Wann funktioniert für Sie Architektur?

Architektur funktioniert, wenn die Vorstellungen, die ich als Bauherr habe und mein Kunde als Nutzer hat, erfüllt werden, und wenn ich vielleicht auch noch eine positive Rückmeldung aus der Öffentlichkeit erhalte.

Z u r  P e r s o n

Dipl.-Ing. Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft
verheiratet, ein Sohn
1985 Studienabschluss Bauinge-nieurwesen, TU Wien
1984–1988 Studienassistent und Universitätsassistent am Institut für Straßen-bau- und Verkehrswesen, TU-Wien
1988 BMWA-Referent, später stv. Leiter der Grundlagenabteilung/Bundesstraßenbau
1996–2000 Referent, ab März 1999 stv. Kabinettchef im Büro des Wirtschafts-ministers; Fachgebiete Bundeshochbau, Bundesstraßenbau
1999–2001 BMWA - Leiter der Abteilung Universitäten, Bundesschulen, Kulturbauten/Bundeshochbau
2001 –2002 Immobilien-managementgesellschaft des Bundes mbH, Leiter der Stabstelle Baumanagement
2003 –2006 Geschäftsführer Immobilienmanagementgesellschaft des Bundes mbH seit 2006 Geschäftsführer Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.

Ü b e r  B I G

Mit einem Anlagevermögen von rund neun Milliarden Euro ist der BIG Konzern der größte Immobilieneigentümer Österreichs. Kerngeschäft ist die Bewirtschaftung und Verwaltung der rund 2.800 Einzelobjekte – vom Neubau bis zum Abriss. Die BIG ist dabei vorrangig Dienstleister für die Republik Österreich, deren Institutionen und ausgegliederten Gesellschaften. Das BIG Portfolio besteht aus über 320 Schulstand-orten, 21 Universitäten und Spezialimmobilien (Justiz-anstalten, Stollen oder Kirchen).Marktgängige Immobilien, hauptsächlich Gebäude mit Büronutzung, werden seit Herbst 2012 durch die neu gegründete ARE Austrian Real Estate GmbH – einer BIG Tochter – bewirtschaftet. Auftrag des BIG Konzerns ist es, den Immobilienbestand optimal zu bewirtschaften.

www.big.at

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