Im Portrait: Shigeru Ban

  • Shigeru Ban
    Shigeru Ban
    Ein „Star“ ohne Starallüren: Shigeru Ban ist Träger des Pritzker-Preises 2014, eine Auszeichnung, mit der er nicht im Traum gerechnet hat. © Shigeru Ban Architects
  • Japanische Pavillons EXPO 2000 in Hannover
    Japanische Pavillons EXPO 2000 in Hannover
    Mit der Errichtung des Japanischen Pavillons aus Pappröhren unter einer speziellen Papierhülle für die EXPO 2000 in Hannover sorgte Shigeru Ban international für Aufsehen. © Hiroyuki Hirai
  • aus Pappe errichtetes Bauwerk in Paris
    aus Pappe errichtetes Bauwerk in Paris
    Dieses im Jahr 2004 zum größten Teil aus Pappe und Papiermembran errichtete Bauwerk über bzw. auf den Dächern von Paris beherbergt ein temporäres Büro und Studio.© Didier Boy dela Tour
  • Paper-Temporary-Studio
    Paper-Temporary-Studio
    Dieses im Jahr 2004 zum größten Teil aus Pappe und Papiermembran errichtete Bauwerk über bzw. auf den Dächern von Paris beherbergt ein temporäres Büro und Studio.© Didier Boy dela Tour
  • Curtain Wall House in Tokyo
    Curtain Wall House in Tokyo
    Das Curtain Wall House in Tokyo ist eines von Shigeru Bans frühen Projekten. Der Grad der Privatheit lässt sich über die fassadenhohen außen­liegenden Vorhänge bestimmen. © Hiroyuki Hirai
  • Haus aus Pappröhren
    Haus aus Pappröhren
    Temporäres Haus aus Pappröhren für die Opfer von Naturkatastrophen, wie hier im Jahr 1995 nach dem Erdbeben in Kobe. © Takanobu Sakuma

Internationale Beachtung erlangte Ban spätestens mit dem EXPO-Pavillon aus Pappröhren für die Weltausstellung in Hannover im Jahr 2000. Für den Pritzker-Preis qualifiziert ihn vor allem sein soziales Engagement in Krisen- und Katastrophengebieten rund um den Erdball.

Im Juni erhielt Shigeru Ban mit dem Pritzker-Preis nicht nur eine der begehrtesten, sondern auch eine der höchst dotierten Auszeichnungen der Architekturwelt. Er ist der siebte Japaner, der den Preis bekommt, und reiht sich mit diesem ein in die Riege weltbekannter Architekten wie I.M. Pei, Oscar Niemeyer, Frank Gehry, Norman Foster, Jean Nouvel, Peter Zumthor oder Zaha Hadid – übrigens neben der Japanerin Kazuyo Sejima, die einzige Frau, die bislang mit dem Pritzker-Preis für ihr architektonisches Schaffen ausgezeichnet wurde. Ein Detail am Rande: Der einzige österreichische Architekt, der bis heute den Pritzker-Preis erhalten hat, war Hans Hollein. Ihm wurde im Jahr 1985 die renommierte Auszeichnung verliehen.

Nachhaltiger Einfluss auf nachfolgende Generationen

„Zuerst dachte ich, Martha Thorne, die Kuratorin des Art Institute of Chicago und Direktorin des Preis-Komitees, erlaubt sich einen Scherz. Es war eine riesige Überraschung für mich“, erinnert sich Shigeru Ban an den Moment, als er von der Preisvergabe erfahren hat. Drei Jahre lang, von 2006 bis 2009, war er selbst Mitglied in der Pritzker-Preis-Jury und weiß, wie hoch die Ansprüche sind, die an einen potentiellen Preisträger gestellt werden.

„Ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass ich für diese wichtige Auszeichnung überhaupt in Frage kommen würde“, zeigt sich Ban in typisch japanischer Bescheidenheit. Ganz anders sah das Tom Pritzker, Sohn der beiden Preisstifter Jay A. und Cindy Pritzker, die nicht nur die Hyatt Hotelgruppe, sondern auch die Hyatt Stiftung gegründet haben, die heute für die Organisation und die Vergabe des Preises verantwortlich zeichnet.

Tom Pritzker wollte Ban aus der Jury haben, weil er schon vor Jahren fest davon überzeugt war, dass dieser ein mehr als würdiger, potentieller Preisträger sei. Es sind nicht die großen Stars der Architekturszene, nach denen die Jury des Pritzker-Preises Ausschau hält, obwohl ihre Preisträger international zu den bekanntesten und anerkanntesten Architekten ihrer Zeit zählen. Der Auftrag der Hyatt-Stiftung ist ganz klar: Es geht darum, Architekten auszuzeichnen, die nach Ansicht der Jury einen nachhaltigen Einfluss auf die nachfolgenden Generationen von Planern haben.

Sozial engagiert

Seine Arbeit sei sein Leben, sagt der heute 57-jährige Shigeru Ban, der das Flugzeug sein Zuhause nennt und sich beim Wechsel zwischen den Zeitzonen erst richtig entspannen kann. Beim Fliegen hat er Zeit, neue Ideen zu spinnen, Skizzen anzufertigen oder mal auszuschlafen. Mit Büros in Tokyo, Paris und New York, einer Professur für Kunst und Design an der Universität von Kyoto und dem von ihm im Jahr 1995 ins Leben gerufenen „Architects Voluntary Network“ ist er praktisch ständig auf Achse. Trotzdem wirkt er kaum jemals gestresst. Alles eine Frage der Einstellung.

Seine gleichermaßen eleganten wie innovativen Bauprojekte rund um den Globus, der kreative Einsatz unkonventioneller (Bau)Materialien und sein Engagement für die Opfer von Naturkatastrophen gibt die Jury als Gründe für seine Ernennung zum diesjährigen Pritzker-Preisträger an. Tatsächlich hat Ban schon sehr früh den Werkstoff Pappe bzw. Papp-rollen und -röhren als Baumaterial für sich entdeckt.

Baustoff Pappe

Vorerst für Ausstellungszwecke, dann auch für den Möbelbau und letztendlich für die Errichtung gigantischer Tragstrukturen, wie den japanischen Pavillon für die EXPO 2000 in Hannover. Der größte Vorteil von Pappröhren zum Bauen sei aber, dass diese nahezu überall auf der Welt produziert werden, leicht zu transportieren und ein höchst ökologischer Baustoff sind. Im Rahmen des von ihm initiierten „Architects Voluntary Networks“ errichtet Ban Notunterkünfte in Krisen- oder Katastrophen-gebieten. Der Baustoff Pappe spielt dabei eine wichtige Rolle. Nicht nur, weil man den Betroffenen damit sehr schnell und mit vergleichbar geringem Aufwand ein Dach über dem Kopf zur Verfügung stellen kann, sondern auch, weil diese Gebäude trotz einfacher Materialien und geringem Mitteleinsatz einen gestalterischen Anspruch erfüllen.

Seine Bauarbeiter sind Studenten, Freiwillige und die Betroffenen selbst. Mit wenigen Vorkenntnissen lassen sich aus dem leichten Material innerhalb kürzester Zeit mehr als nur passable Unterkünfte zimmern. Verwendet wird alles, was vor Ort verfügbar ist. Wo andere nur Müll sehen, sieht Shigeru Ban eine mögliche Verwendung als Baustoff, und so kann es schon mal vorkommen, dass alte Bier- und Getränkekisten zu Fundamenten für seine leichten Papphäuser werden. „Wir Architekten planen und entwerfen seit jeher für die privilegierten Menschen, die über ausreichend Geld und Macht verfügen. In Krisen- oder Katastrophengebieten werden Sie aber kaum je einen Architekten finden. Ich denke, wir sollten unser Wissen und unsere Fähigkeiten aber gerade auch dort einsetzen, wo wir Menschen unmittelbar helfen können. Beispielsweise wenn sie gerade durch ein Erdbeben ihr Haus verloren haben“, so Ban.

Notunterkünfte für Flüchtlinge in Ruanda

Erstmals eingesetzt wurden Bans temporäre Häuser aus Papprollen als Flüchtlingsunterkünfte nach dem Bürgerkrieg in Ruanda im Jahr 1994 und dem Erdbeben in Kobe im Jahr 1995. Aus diesen ersten „Prototypen“ entstanden temporäre Notunterkünfte, Kirchen, Schulen, Konzerthallen überall dort auf der Welt, wo Menschen im Zuge von Katastrophen, Krisen oder Kriegen von einem Tag auf den anderen ohne Hab und Gut auf der Straße stehen. „Zuerst braucht man wieder ein Dach über dem Kopf, dann kann man überlegen und planen, wie es weitergehen soll“, so Ban ganz pragmatisch. Finanziert wird sein Hilfsnetzwerk hauptsächlich über Spenden. In Bezug auf sein „Honorar“ sagt Ban: „Es kommt darauf an, ob die Menschen zufrieden und glücklich sind, mit dem, was ich für sie entworfen habe. Die einen können mich bezahlen, die anderen nicht. Das macht keinen Unterschied – zumindest nicht für mich. Mag sein, dass meine Partner das etwas anders sehen.“